Kapitel 9
Das am Grand Prix d’Horlogerie de Genève 2014 mit dem Preis der Damenuhr ausgezeichnete Modell.
Komplikationen haben in der Uhrmacherkunst einen besonderen Stellenwert. Sie zeugen von einem zusätzlichen Savoir-faire und Geschick der Uhrmacher, die solche Zeitmesser anfertigen, deren Anzeigen über die reine Uhrzeit hinausgehen. Davon abgesehen bezaubern manche uhrmacherischen Komplikationen mehr als andere. Einen ewigen Kalender zu bauen erfordert zweifellos besonderes Können, die Faszination ist jedoch irgendwie theoretisch, da auf dem Zifferblatt wenig von den komplexen Mechanismen zu sehen ist, die darunter zusammenwirken. Zumindest für Leute, die nicht absolute Fans von Uhren sind, die dem „Schaltjahrzyklus auf der Spur“ bleiben, und dafür alle vier Jahre bis Mitternacht wachen, um den Datumwechsel auf den 29. Februar nicht zu verpassen.
Anders ist das bei der Komplikation der retrograden Sekundenanzeige. Da sorgt jeder Blick aufs Zifferblatt für visuelles Vergnügen, und eine Nachtwache ist nicht notwendig. Beim Kaliber 2663SR von Blancpain, das die neue Women Heure Décentrée Seconde Rétrograde antreibt, wandert der Sekundenzeiger emsig auf seiner 30-Sekunden-Halbkreisskala nach rechts und saust dann augenblicklich zurück, um die nächsten 30 Sekunden zu zählen. Dies macht die Sekundenanzeige weit spannender als beim herkömmlichen kontinuierlichen Kreisen.
Nicht alle retrograden Sekundenanzeigen sind gleich. In manchen Fällen kann der Rücklauf des Zeigers beim Ein- und Ausklinken des dafür verantwortlichen Räderwerks recht holprig wirken. Blancpain hat ein System perfektioniert, das dies alles ändert. In den Lettres du Brassus Nr. 13 haben wir die Einzelheiten dieses verfeinerten Systems ausführlich beschrieben, das schon seit einiger Zeit bei den Herrenuhren zum Einsatz kommt und nun erstmals in der Kollektion Women genutzt wird. Ohne diese technische Erklärung zu wiederholen, gibt schon die reine Beschreibung einen Überblick über die von Blancpain entwickelte Vorrichtung. Statt eines Zahnrads kommen bei dieser retrograden Sekunde ein schneckenförmiger Nocken und ein fingerartiger Taster zum Einsatz, der auf der Nockenkante reitet. Erreicht der Sekundenzeiger die 30-Sekunden-Marke, rutscht der Finger über eine „Klippe“ und stürzt auf die untere Ebene der Schnecke. Diese Bewegung führt den Sekundenzeiger schnell, aber weich auf null zurück, worauf er seine Wanderung erneut aufnimmt und auch der Finger wiederum über die Schnecke zu gleiten beginnt. Dank dem sorgfältigen Design des Nockens und des Tasters sowie einer speziellen Feder, die diesen gegen die Schnecke presst, bewegt sich der Sekundenzeiger seidenweich und fliegt augenblicklich auf null zurück.
Das visuelle Vergnügen beschränkt sich jedoch bei der Women Heure Décentrée Seconde Rétrograde keineswegs nur auf die Komplikation der retrograden 30-Sekunden-Anzeige. Auf dem gravierten Perlmuttziff erblatt der goldenen Modelle und dem weißen Zifferblatt der Stahlversionen ist die Stunden-Minuten-Anzeige gegen 12 Uhr verschoben. Das schafft über der Anzeige der retrograden Sekunde Platz für eine fein geschwungene Welle von Diamanten, die sich beidseits von der Lünette gegen das Zentrum verjüngen. Die Lünette ist bei den Gold- und den Stahlmodellen mit Diamanten geschmückt. Das gesamte Karatgewicht der Diamanten ist jedoch bei den goldenen Uhren mit 1,242 Karat etwas höher als bei den Stahlmodellen (1,153 Karat). Der Gehäusedurchmesser entspricht mit 36,8 Millimetern der heute üblichen Größe für Damenuhren.
Die ganze Schönheit dieses Zeitmessers off enbart sich aber erst, wenn man die Uhr wendet. Dank dem Saphirboden kann man auf der Rückseite das Automatikwerk mit seinem klassischen manuellen Finish bewundern: anglierte Kanten, perlierte Oberflächen und Côtes-de-Genève-Dekor. Wie die anderen Modelle der Kollektion Women ist diese Uhr mit einer handgravierten Schwingmasse in Form einer Blume ausgestattet. Das Werk selbst ist technisch auf dem neusten Stand, verfügt es doch über eine Trägheitsunruh mit Siliziumspiralfeder.
Retrograde Sekunden und dezentrierte Stunden sind keine großen Komplikationen wie etwa eine Minutenrepetition oder der Schleppzeigerchronograph. Dennoch ist Blancpain überzeugt, eine Uhr müsse etwas mehr sein als die Summe ihrer Teile. Dass diese Philosophie auch von andern geteilt wird, bewiesen die Mitglieder der internationalen Jury des Grand Prix d’Horlogerie de Genève, dessen begehrte Auszeichnungen alljährlich den schönsten Neuerscheinungen verliehen werden. 2014 kürten sie die Women Heure Décentrée Seconde Rétrograde zur Siegerin in der Kategorie Damenuhren.
HERAUSGEBER HERAUSGEBER-AUSSCHUSS PROJEKTMANAGEMENT CHEFREDAKTION AUTOREN DIESER AUSGABE |
GRAFIK-DESIGN, REALISATION ART DIRECTION FOTOLITHOGRAFIE FOTOGRAFEN UHREN ANDERE FOTOGRAFEN / ILLUSTRATOREN Erscheinungsdatum: Februar 2015
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