Kapitel 4
Blancpain sponsert die Expedition von Laurent Ballesta
12. April 2013: Das Schlauchboot tanzt auf den Meereswogen vor Südafrika auf und ab. Ich sitze mit 80 Kilogramm am Rücken auf dem Randwulst, und meine Entschlossenheit ist ebenso groß wie mein Gleichgewicht labil. Routinemäßig schaue ich auf meine Uhr, stelle die Krone auf null und richte den Schleppzeiger auf den Tiefenmesser aus. Nun bin ich bereit. Es bleibt mir gerade noch genug Speichel, um in die Tauchermaske zu spucken, damit sie sich nicht beschlägt. Der Moment, ins Wasser zu kippen, ist nah, in Richtung Dämmerlicht mit seinem verführerischen Schein unter 100 Metern Tiefe, dort, wo der Gombessa herrscht, wie der Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae) lokal genannt wird, den ich gern als ältesten Fisch der Welt bezeichne.
Vier Jahre habe ich mich auf diesen Augenblick vorbereitet. Ich habe einen Kloß im Hals. Das ist der Preis, den bezahlt, wer in solch unvernünft ige Tiefen tauchen will. Dieses Gefühl ist mir jedoch vertraut, ich habe es schon mehrmals erlebt. Zuerst 2009, im Jahr des Fehlschlags, dann 2010, im Jahr des Erfolgs. Wird 2013 zum Jahr der Konsekration?
Zumindest hoff e ich darauf, dass sich unser Know-how bewährt. Wir haben es bereits 2010 mit den ersten Bildern der Begegnung eines Menschen mit einem Quastenflosser bewiesen. Heute stellen wir diese technischen Fähigkeiten in den Dienst der Wissenschaft. Diesmal genügt es nicht, die Legende zu finden, sie muss auch erforscht werden. Wissenschaft liche Protokolle in 120 bis 145 Metern Tiefe zu schreiben ist nicht einfach, aber aufregend.
Während dreier Jahre suchten wir gemein sam mit den Forschern des Muséum national d’Histoire naturelle in Paris nach den geeigneten Methoden und entwickelten das notwendige Material. Der Tag der Wahrheit naht: Werden sich unsere Hoff nungen bestätigen? Wird es klappen …?
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Kaum habe ich den Grund erreicht, sehe ich sie. Drei Quastenfl osser sind da, am selben Ort, an dem ich sie vor drei Jahren zurückließ. Wie vor Urzeiten sind sie mit den anatomischen Relikten der Wirbeltiere ausgestattet, die vor 370 Millionen Jahren aus dem Meer stiegen. Man dachte, die Coelacanthen seien vor 65 Millionen Jahren ausgestorben, bis 1938 einer dieser blauen Riesen auf den Komoren in einem Fischernetz entdeckt wurde. Der Fund erregte in Wissenschaft skreisen entsprechend großes Aufsehen und ging als bedeutendste zoologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Worte wie Erleichterung, Staunen, Faszination sind zu schwach, um zu beschreiben, was ich beim Anblick der urtümlichen Tiere empfinde.
Für Kontemplation ist jetzt keine Zeit. Platz der Aktion! Ich ziehe die Giraff enhalskamera auf 3 Meter Spannweite aus. Sie besteht aus zwei maximal 1,5 Meter langen, beweglichen Armen, deren Enden mit Hochgeschwindigkeitskameras bestückt sind, die 1000 Bilder pro Sekunde belichten. Die beiden Kameras sind synchronisiert, und ich kontrolliere die doppelte Bildeinstellung auf zwei nebeneinanderstehenden Displays. Dann schalte ich zwei Laserpointer ein, um den Blickwinkel der Kameras besser steuern zu können. Bald gleiten die beiden grünen Laserpunkte über die Schuppen des Quastenflossers, und ich drücke auf den Auslöser …
Nun werden vierzig Tage voller aufregender Erfahrungen folgen. Als erste Autonomtaucher der Welt studieren wir den Komoren-Quastenfl osser in seinem Reich … eine Herausforderung für Taucher, doch die Verwirklichung eines Naturforscher-Traums.