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Kapitel 6

Villeret Seconde RÉTROGRADE DATE

Was als einfache Komplikation gelten mag, ist in Wirklichkeit gar nicht so einfach.

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON
Villeret Seconde     RÉTROGRADE DATE
Villeret Seconde RÉTROGRADE DATE
Ausgabe 13 Kapitel 6
In der Kreisöffnung oben sind auf der Zifferblattseite des Uhrwerks die Schnecke und die Spiralfeder als zentrale Elemente dieses Mechanismus mit retrograder Sekunde zu erkennen.

In der Kreisöffnung oben sind auf der Zifferblattseite des Uhrwerks die Schnecke und die Spiralfeder als zentrale Elemente dieses Mechanismus mit retrograder Sekunde zu erkennen.

Bei der KREATION DER RETROGRADEN SEKUNDE setzte Blancpain auf eine verfeinerte Architektur dieser Komplikation.

Zu den Freuden des Uhrensammelns gehört es, Zeitmesser zu finden, die auf dem Zifferblatt visuelle „Action“ bieten. Wissenschaft ler oder Erbsenzähler dürften bei dieser Aussage sofort kritisch anmerken, auf jedem Zifferblatt finde Action statt, sobald die Uhr läuft . Doch beispielsweise andächtig den Minutenzeiger anzustarren, um seinen Lauf rund ums Zifferblatt voll zu genießen, ist vielleicht doch allzu einschläfernd für die meisten von uns. Und wer den Blick auf der Bewegung des Stundenzeigers verharren lässt, riskiert möglicherweise, sofort bevormundet zu werden, während die Uhr zusammen mit seiner restlichen weltlichen Habe künftig von einem Treuhänder verwaltet wird. Was den reinen Unterhaltungswert betrifft , sichern sich die Karussellund Tourbillonmodelle von Blancpain ihre Plätze an der Spitze der Pyramide. Bei diesen Wirbelwinden in Sachen Bewegung ist allerhand los. Und beide sind große Komplikationen.

Doch wie wär’s mit einer kleineren, aber dennoch unterhaltsamen Komplikation? Da betritt die Villeret Seconde Rétrograde Date die Bühne. Mit ihrem zweimal pro Minute rückspringenden, retrograden Sekundenzeiger sorgt sie für faszinierende Bewegung auf dem Zifferblatt. In der Uhrmacherei wird eine Anzeige retrograd genannt, deren Zeiger einem Bogen beziehungsweise Kreissektor entlangwandert und an dessen Ende augenblicklich auf den Ausgangspunkt zurückspringt. Obwohl dieser Sekundenzeiger im selben Takt vorrückt wie bei einer Kreisanzeige, wird die visuelle Attraktivität beträchtlich gesteigert, wenn er jeweils nach 30 Sekunden augenblicklich auf null zurückschnellt und erneut startet.

Blancpain hat die Komplikation eines retrograden Sekundenzeigers für eine Armbanduhr nicht erfunden. Verschiedene große Häuser haben im Lauf der Jahre Uhren mit solchen Anzeigen auf den Markt gebracht. Die vorliegende Neuentwicklung meistert jedoch bedeutende Herausforderungen. Bei früheren Abwandlungen retrograder Uhrwerke wird der kleine Sekundentrieb durch ein Zahnrad ergänzt. Es treibt wiederum ein Sperrrad an, das den Sekundenzeiger bewegt. Kommt dieser am Ende des Kreissektors an, muss sich das Sperrrad vom kontinuierlich drehenden Zentrumsrad trennen, sofort zur Nullposition zurückkehren und dort wieder eingreifen. Dabei gibt es zwei ernsthafte technische Probleme. Zunächst einmal erfolgt der erneute Eingriff des Sperrrads nach dem Nullen. Werden jedoch Zahnräder getrennt und greifen nach dem Rückspringen wieder ein, ist die Stellung der Zähne absolut zufällig. In einer perfekten Welt würden die Zähne des Sperrrads exakt in die Zahnzwischenräume des Zentrumsrads fallen, und der Zeiger würde glatt weiterwandern wie zuvor. Doch leider ist die Welt nicht perfekt. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit prallen die Zähne beim Wiedereingreifen mit den Spitzen aufeinander, bevor sie sich wie gewünscht zusammenfügen. Das Ergebnis: Der Sekundenzeiger ruckelt oder springt, wenn er

Eine Vielfalt von Problemen wurde gelöst, um einen ROBUSTEN und EINWANDFREI funktionierenden Mechanismus zu produzieren.

wieder zu laufen beginnt. Selbstverständlich können die Zähne auch in Positionen zwischen diesen beiden Extremen aufeinandertreffen, so dass sich dieses Ruckeln unterschiedlich stark bemerkbar macht.

Bei den früheren Konstruktionen von retrograden Sekunden gibt es ein weiteres Problem. All diese irgendwie unsanft en Kupplungsvorgänge der Zahnräder finden auf der Achse statt, die direkt mit der Hemmung verbunden ist. Diese ist das empfindlichste Teil des gesamten Räderwerks, das zusammen mit der Unruh und der Spiralfeder die Ganggenauigkeit der Uhr bestimmt. Die Regulierung und die Sicherung einer gleichmäßigen Amplitude der Unruhschwingungen werden durch ein solches direkt mit der Hemmung verbundenes Kupplungssystem erschwert. Deshalb sind diese früheren Konstruktionen schwierig zu bauen und feinzustellen sowie in jedem Fall etwas ruppig im Betrieb.

Die Uhrwerkkonstrukteure von Blancpain haben eine völlig andere, neuartige Konzeption der retrograden Sekunde entwickelt, die jeden direkten Antrieb des Sperrrads durch ein Zahnrad und eine Achse vermeidet, die direkt mit der Hemmung verbunden sind. Statt eines Zahnrads kommt in der Konstruktion von Blancpain ein Nocken oder besser gesagt eine spiralförmige Schnecke zum Einsatz. Obwohl ein Sperrrad verwendet wird, bleibt dieses in ständigem Eingriff mit dem Sekundenrad. Die Schnecke und der gezähnte Rechen des Sperrrads werden durch eine Feder aneinandergepresst, die eine sanfte Bewegung sicherstellt und vor allem jedes zufällige Zusammentreffen der Zähne beim Wiedereingriff nach dem Nullen verhindert.

Um diese Konstruktion funktionsreif zu machen, musste Blancpain eine Fülle von Problemen lösen. Zunächst einmal wird das Sperrrad durch eine spiralförmige Feder gegen die Schnecke gedrückt. Diese Feder muss für einen weichen, aber ausreichenden Kontakt mit der Schnecke sorgen und gleichzeitig ein schnelles Nullen des Sperrrads beziehungsweise des Sekundenzeigers sicherstellen, wenn der Sperrradrechen in den Trog der Schnecke fällt. Eine zu starke Feder würde zuviel Energie kosten. Das wiederum würde die Amplitude der Unruh und die Gangreserve der Uhr beeinträchtigen. Ist sie zu weich, droht der Sekundenzeiger zu ruckeln und ungleichmäßig zu nullen.

ABBILDUNG 1
Das Konstruktionsprinzip des Blancpain- Systems. Kernstück dieses Moduls ist die Schnecke „A“. Diese ist mit dem Sekundentrieb verbunden und dreht sich einmal pro Minute im Uhrzeigersinn. Auf der Kante der Schnecke reitet der Rechen des Sperrrads „B“. Wenn sich „A“ dreht, wird das Sperrrad verschoben, und durch das Eingreifen seiner Zähne in den Trieb „C“, der mit dem Sekundenzeiger verbunden ist, folgt dieser seinem Lauf auf dem Zifferblatt. Die notwendige Spannung für dieses System liefert die Spiral feder „D“

ABBILDUNG 2
Alle 30 Sekunden führt die Rotation der Schnecke „A“ bis zu dem Punkt, an dem die Rechenspitze des Sperrrads „B“ eines der beiden zahnartigen Enden der Schneckenkante erreicht und in einen ihrer beiden tiefen „Tröge“ fällt. Dieser plötzliche „Sturz“ wirft den Sekundenzeiger dank der Energie der Spiralfeder „D“ augenblicklich auf null zurück, und die nächste 30-Sekunden-Wanderung beginnt.

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Zweitens benötigt das Sperrrad ein Gegengewicht zum Rechen, damit es ausgewogen ist und allfällige Beschleunigungseffekte durch Schläge verringert werden. Dieses beilförmige Gewicht am andern Ende des Sperrradarms verhindert, dass der Zeiger bei Erschütterungen von selbst springt.

Schließlich stand noch die Wahl des Uhrwerks an. Eines der „Arbeitsrosse“ unter den Motoren von Blancpain ist das Kaliber 1150 mit zwei Federhäusern für vier Tage Gangreserve und einer Unruhfrequenz von 21 600 Halbschwingungen pro Stunde. Bei seiner Einführung war es revolutionär, weil es das Automatikwerk mit der längsten Gangreserve der gesamten Uhrenindustrie war. Es löste denn auch den Trend zu hohen Gangreserven aus, der seither von vielen andern kopiert wurde. Für die Komplikation der retrograden Sekunde wählte Blancpain eine Variante des Kalibers 1150 aus, die 1160.4 getauft wurde. Sie hat ebenfalls zwei Federhäuser, verfügt jedoch mit 28 800 Halbschwingungen über eine höhere Frequenz. Mit 72 Stunden ist die Basis-Gang reserve des Kalibers um einen Tag kürzer, dies aus dem einfachen Grund, weil die höhere Frequenz mehr Energie benötigt. Blancpain entschied sich jedoch für diese höhere Frequenz bei der Variante 1160.4, weil die Bewegungen des retrograden Sekundenzeigers dadurch weicher und gleichmäßiger erfolgen. Angesichts der zusätzlichen Belastung durch die Spiralfeder für die Steuerung des Sperrrads beziehungsweise Sekundenzeigers hat die Manufaktur die Gangreserve des nun als Kaliber 7663.4 geführten Uhrwerks auf 65 Stunden bemessen.

Ein interessantes Kapitel bei der Entwicklung des Blancpain-Uhrwerks mit retrograder Sekunde bildeten die Zuverlässigkeitstests. Diese Phase betreute Alain Delizée, den wir in Ausgabe 9 der Lettres du Brassus vorgestellt hatten. Was er für das Testen entwickelte, ist höchst bemerkenswert. Um das Rückspringen des Zeigers im Dauerbetrieb zu simulieren, entfernte er bei einem Uhrwerk die Unruh, so dass es mit rasender Geschwindigkeit lief und so richtig „herunterratterte“. Selbst bei dieser groben Behandlung bewies das System von Blancpain, wie robust es ist, funktionierte es doch perfekt.

Die retrograde Sekunde wird als „kleine Komplikation“ eingestuft , verglichen mit einer Minutenrepetition oder einem Karussell zweifellos zu Recht. Blickt man jedoch auf den Entwicklungsprozess und die heiklen Probleme zurück, die gelöst werden mussten, wirkt nichts an diesem Uhrwerk „klein“.

Die Villeret Seconde Rétrograde wird in zwei Hauptvarianten angeboten: ohne Datum oder mit schlangenförmigem Datumzeiger. Beide Modelle sind in 40-mm -Gehäuse aus Weiß- oder Rotgold eingeschalt. Alle Weißgoldmodelle haben guillochierte Zifferblätter, versilbert in der Variante ohne Datum und blau beim Modell mit Datumzeiger. Das datumlose Rotgoldmodell hat ein schwarz guillochiertes, dasjenige mit Datum ein Opalinzifferblatt.

Kapitel 07

Women Chronographe GRANDE DATE

Die sportliche Chronographenkomplikation, ausgedrückt mit femininer Allüre.

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