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Kapitel 2

Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ

Ein traditionelles japanisches Verfahren.

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Ausgabe 16 Kapitel 2
Der künstlerische Schmuck der Uhr beginnt mit dem Zeichenstift.

Der künstlerische Schmuck der Uhr beginnt mit dem Zeichenstift.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein jahrhundertealtes japanisches Kunsthandwerk, mit dem die Samurais ihre katana (Langschwerter) verzierten, den Weg ins Vallée de Joux in der Schweiz gefunden hat, damit die Gravurkünstler von Blancpain mit diesem Verfahren ein besonderes Zifferblatt kreieren können. Doch nach einem Tag mit Christophe Bernardot, dem Leiter des Kunsthandwerk-Ateliers in der Manufaktur in Le Brassus, findet man dies dennoch irgendwie selbstverständlich.

Kunsthandwerk hat in der Uhrmacherei seit je einen hohen Stellenwert. Nachdem im frühen 15. Jahrhundert die Zugfeder erfunden worden war, tauchten gegen Ende des Jahrhunderts die ersten tragbaren Uhren auf. Genauigkeit war jedoch nicht gerade ihre Haupttugend. Ja sie waren so unpräzis, dass manche zusätzlich mit einer Sonnenuhr für eine zuverlässigere Zeitanzeige ausgestattet wurden. Angesichts dieser eher fragwürdigen mechanischen Qualität steigerten die Uhrmacher den Wert ihrer Kreationen durch kunsthandwerklichen Schmuck. Über und über emailliert, graviert und vergoldet, demonstrierten diese Zeitmesser neben ihrer Kostbarkeit auch den Status ihres Besitzers. Mit der Erfindung der Unruh im späten 17. Jahrhundert konnte man dann Uhren mit präziserer Zeitanzeige und später mit zusätzlichen Funktionen entwickeln, den Komplikationen. Das inzwischen in der Uhrmacherei gut etablierte Kunsthandwerk – man denke nur an die reich geschmückten Kabinette von Standuhren und Pendülen – florierte parallel zu diesen mechanischen Innovationen.

Da die Manufaktur Blancpain die großen Traditionen der Uhrmacherkunst seit je hochhält, nutzt sie in ihren Kollektionen und Kreationen auch verschiedene kunsthandwerkliche Verfahren. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Haute-HorlogerieMarken, die solche Arbeiten außerhalb ihrer eigenen vier Mauern herstellen lassen, hat Blancpain Spezialisten dieser Fachgebiete in die eigene Werkstatt in Le Brassus geholt.

Für die Shakudō-Zifferblätter müssen die Kunsthandwerker von Blancpain die Techniken SHAKUDŌ, GRAVIEREN UND TAUSCHIEREN meistern.

Leiter dieses Kunsthandwerk-Ateliers ist, wie erwähnt, Christophe Bernardot. Er absolvierte ein Kunststudium an der École régionale des beaux-artsin Besançon und war anschließend in verschiedenen kunsthandwerklichen Metiers tätig. Anfänglich heuerte er in der Manufaktur Porcelaine de Sèvres in Paris an, wo er raffinierte Tischdekorationen ausschließlich für einen Kunden entwarf: den französischen Staat. Diese Porzellankreationen – biscuits de Sèvres genannt, da sie zweimal gebrannt werden – schmückten die Tische des Élysée-Palasts und der französischen Botschaften. Dieser Töpfertätigkeit folgten Jahre des Kreierens und Gravierens goldener Stöpsel für Parfümflaschen in Besançon. Dann wandte er sich dem Emaillieren zu und übte sich während zehn Jahren in den verschiedenen traditionellen Verfahren der Emailkunst wie dem Cloisonné- oder Zellenschmelzemail (feine Golddrähte begrenzen Flächen oder Zellen, die man mit verschiedenfarbigem Emailpulver füllt, das dann eingebrannt wird) und dem Champlevé- oder Grubenschmelzverfahren (hier füllt man mit dem Stichel ausgehobene Vertiefungen mit Emailpulver). Damit beherrschte er eine breite Palette kunsthandwerklicher Fertigkeiten, die er ins Atelier von Le Brassus mitbrachte: skulpturales Töpfern, Gravieren und sämtliche Emaillierverfahren.

In diesem Métiers d’art-Atelier von Blancpain steht er an der Spitze eines Teams talentierter Künstler, die die ganze Bandbreite der kunsthandwerklichen Spezialisierungen meistern: Gravieren von Uhrwerkbrücken und Schwingmassen, Tauschieren, Emailarbeiten in verschiedener Form, Reliefieren von Automatenfiguren für Minutenrepetitionen und neu eben Shakudō, das Hauptthema dieses Kapitels. Diese Kunsthandwerker verfügen über beeindruckende Qualifikationen, wie etwa Marie-Laure Tarbouriech. Die Meistergraveurin gewann den ersten Preis für Gravur im Wettbewerb „Un des Meilleurs Ouvriers de France“ („Einer der besten Handwerker Frankreichs“, kurz „MOF“ genannt). Ihre preisgekrönte Wettbewerbsarbeit bestand aus einer Komposition mit Tieren des Vallée de Joux, die sie auf die Brücken des BlancpainTaschenuhrkalibers graviert hatte. Dank dieser Auszeichnung – sie wurde ihr 2011 bei einem Empfang im Élysée-Palast von Präsident Nicolas Sarkozy überreicht – darf sie als „MOF“ einen Trikolore-Kragen an ihrer Arbeitsbluse tragen. Seither hat Marie-Laure ein breites Spektrum von Gravurmotiven für die Brücken von Uhren mit Abwandlungen des Basiskalibers 15 entwickelt, darunter für ein Einzelstück der Villeret Grande Décoration mit Landschaftsszenen aus verschiedenen Gegenden der Welt. Ihr Schweizer Dekor ist eine Kombination von Matterhorn, Schloss Chillon, Edelweiß und weiteren Details (diese Gravur schmückt die Titelseite der Lettres du Brassus Nr. 10).

Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ

Das Shakudō-Verfahren VERWANDELT die Farbe einer Kupfer-Gold-Legierung in ein nuanciertes Dunkelgrau.

In einer grundlegenden Beziehung geht Christophe Bernardot über die Uhrmachertradition hinaus. Obwohl er alle Verfahren des überlieferten Uhrendekors meistert, fühlt er sich nicht verpflichtet, bloß Vergangenes zu reproduzieren. Zwar kennt er die historischen Motive bestens, mit denen bedeutende Uhren geschmückt sind, und hat auch selbst solche Muster entworfen. Dennoch darf sich Kunst seiner Meinung nach nicht von dem beengen lassen, was früher gemacht wurde. Und so brachte er seine Neugier auf andere Verfahren und Designformen, die sich eventuell auf Uhren anwenden lassen, und seine Experimentierfreudigkeit in die Arbeit bei Blancpain ein. Seine Werkstatt im Atelier in Le Brassus ist gepflastert mit Zeugnissen von Material-, Farb- und Texturversuchen, die noch nie zuvor an Handgelenken zu sehen waren. Auf dieser Suche nach frischen Ideen entdeckte Christophe Bernardot auch die altüberlieferte japanische Handwerkskunst Shakudō.

Technisch gesehen ist Shakudō ein Verfahren, das die je nach den Metallanteilen von Gelb über Orange bis Bronzefarben reichende Tönung einer Kupfer-GoldLegierung in ein Dunkelgrau mit feinen Nuancen verwandelt. Meist wird die Oberfläche wie bei Blancpain gebürstet, was dem Dunkelgrau Vielschichtigkeit und Struktur verleiht. In einem ersten Schritt wird die Metalllegierung – für ein Zifferblatt in Form einer Scheibe – in ein warmes chemisches Bad getaucht, bis sie sich wie gewünscht verfärbt hat. Bereits jetzt sind zahlreiche Probeläufe nötig. Die Scheibe wird mehrmals aus dem Bad genommen, abgespült und auf ihre Farbe kontrolliert und gegebenenfalls erneut eingetaucht. Ist die gewünschte Tönung erreicht, ist das Shakudō verwirklicht, denn dieser Farbton ist beständig. Im Gegensatz zu anderen Bearbeitungen handelt es sich bei diesem chemischen Bad nicht um eine Beschichtung, sondern um eine Farbveränderung der Legierung selbst.

Obwohl der Prozess des chemischen Bads historisch und auch heute bei Blancpain den Schwerpunkt der Shakudō-Kunst bildet, wird sie durch zusätzliche künstlerische Verfahren wie Gravieren, Tauschieren und Reliefieren ergänzt. Zudem wird das ShakudōVerfahren häufig bei verschiedenen Arbeitsschritten wiederholt, um dem Zifferblatt interessante Schattierungen und Tiefe zu verleihen.

Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ

Jedes Shakudō-Zifferblatt von Blancpain ist EINZIGARTIG.

Jedes Shakudō-Zifferblatt von Blancpain ist ein Unikat. Einmalig sind nicht nur die Farbgebung und Gravur, sondern auch die Darstellungen auf jedem Zifferblatt. Ein interessantes Beispiel ist dasjenige der Uhr Blancpain Ganesh Shakudō. Im Hinduismus und Buddhismus wird Ganesh oder Ganesha mit seinem charakteristischen Elefantenkopf als Gott des Neuanfangs verehrt. Blancpain kreierte mehrere Zifferblätter mit seinem Bild im Zentrum, und jede dieser Darstellungen ist einzigartig. Im Blancpain-Atelier fertigen mehrere Kunsthandwerker Ganesh-Zifferblätter, und alle beginnen auf die gleiche Weise, indem sie zunächst auf einem Papier die Hintergrunddekorationen skizzieren. Das Ganesh-Bild selbst ist eine Applike. Sie besteht aus einem reliefierten Goldplättchen, das rückseitig mit hauchfeinen Stiften versehen ist, die durch vorgebohrte Löcher im Zifferblatt führen und auf dessen Rückseite sorgfältig zugehämmert werden, so dass die Applike auch ohne Leim fest verankert ist. Das Ganesh-Porträt wird von einem der Blancpain-Graveure akribisch von Hand und unter dem Mikroskop mit feinen Werkzeugen aus dem Gold herausgearbeitet. Um die Exklusivität dieser Appliken noch zu unterstreichen, zeigt jede den Elefantengott in einer anderen Stellung. So ist Ganesh auf einer der Uhren, die an der Baselworld 2015 präsentiert wurden, frontal dargestellt, mit aufwendigem Kopfschmuck, einer schweren Halskette, Armbändern an drei Armen (er hat stets mehr als zwei) und Gegenständen in drei Händen sowie einer Ratte, die sich an seinen Fuß schmiegt. Andere Bildnisse zeigen ihn im Profil. Unterschiedlich sind auch Kleidung und Kopfschmuck, die Hand-, Fuß- und Rüsselstellungen oder die Objekte, die Ganesh in den Händen hält. Marie-Laure Tarbouriechs neuste Darstellung zeigt die treue Begleiterin des Elefantengottes, die Ratte, auf seinem Knie. Jede Ganesh-Applike erfordert über einen Monat Handgravur. Je nach dem Stil des Graveurs wird das Zifferblatt mit der Ganesh-Applike wiederholt dem Shakudō-Prozedere unterzogen, um die Farbschattierungen und Tiefe des Bildes zu verstärken.

Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ
Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ

Das Kunsthandwerk-Atelier von Blancpain HAT EINE FÜLLE NEUER ZIFFERBLATT-DESIGNS IN PETTO.

Ebenso große Kunstfertigkeit verlangt der Hintergrund. Früher wurden viele Shakudō-Objekte mit Tauschierungen verziert. Dieses alte Kunsthandwerk hat seinen Ursprung in Japan und China, blühte in Syrien und gelangte mit den Arabern nach Spanien, wo es bis heute in Toledo floriert. Dabei verziert man Gegenstände aus Hartmetall mit Intarsien aus einem weicheren Buntmetall, zum Beispiel Gold, indem man die Gruben des Dekormusters im Metall schwalbenschwanzförmig vertieft und das meist in Form von Fäden eingelegte Gold einhämmert. Dadurch spreizt sich die Goldeinlage auf der Unterseite und hält von selbst, ohne jeden Leim. Blancpain ist bestimmt die einzige Uhrenmarke, die Zifferblätter mit Tauschierungen anbietet, die zudem noch in den eigenen Werkstätten hergestellt werden. Einige der Hintergründe sind außergewöhnlich komplex gearbeitet, etwa bei dem an der Baselworld 2015 gezeigten Stück: Hier umringen mehrere tauschierte Ornamente, darunter Blumen, die Ganesh-Applike.

Und weil in der Werkstatt eine Idee zur anderen führt, entstanden viele Shakudō-Themen, die nichts mit Ganesh zu tun haben. Einer der Kunsthandwerker ließ sich vom Blancpain Ocean Commitment inspirieren, genauer gesagt vom Sponsoring für Laurent Ballesta. Dieser hat auf seiner Expedition Gombessa als erster Taucher den urtümlichen Quastenflosser intensiv in seinem natürlichen Lebensraum beobachtet und fotografiert. Als Vorlage für diese Shakudō-Arbeit diente dem Graveur eine der atemberaubenden Aufnahmen Ballestas, die dieses lebende Fossil inmitten von Korallen zeigt. Ein weiterer Künstler entwickelte eine Bonsai-Szenerie, ein dritter ein sumerisches Thema.

Jede dieser Uhren mit Shakudō-Zifferblatt ist in ein 45-Millimeter-Rotgoldgehäuse mit der klassischen Doppelreif-Lünette der Kollektion Villeret eingeschalt. Motor ist das exklusive Manufakturkaliber 15 mit seiner im charakteristischen Taschenuhrstil geschwungenen zentralen Brücke. Zum Glück bleiben diese kunstvoll dekorierten Modelle nicht vereinzelte Kreationen, denn im Blancpain-KunsthandwerkAtelier haben Christophe Bernardot und sein Team noch eine Fülle verblüffender neuer Ideen für künftige Zeitmesser in petto.

Kunsthandwerk bei Blancpain SHAKUDŌ

Kapitel 03

DAS „GEHEIMNIS ZACKENBARSCH“

Ein Tauchgang von 24 Stunden für die Wissenschaft und Tauchtechnik.

Autoren der Kapitel

LAURENT BALLESTA
DAS „GEHEIMNIS ZACKENBARSCH“
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