Skip to main content

Kapitel 6

ZEIGER

Fein, vielfältig und von fordernder Präzision.

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON

Autoren der Kapitel

JEFFREY S. KINGSTON
ZEIGER
ZEIGER
Ausgabe 16 Kapitel 6
Eine einzige Uhr, die Villeret Équation du Temps Marchante, mit fünf verschiedenen Zeigerformen.

Eine einzige Uhr, die Villeret Équation du Temps Marchante, mit fünf verschiedenen Zeigerformen.

Die Zeigerfertigung gehört zu den GROSSEN SPEZIALISIERUNGEN DER UHRENBRANCHE.

Haben Sie als Uhrenliebhaber auch schon mal die Zeiger inspiziert? Nicht nur angeschaut, sondern wirklich inspiziert, gründlich untersucht? Vorzugsweise mit einer Lupe, um auch wirklich alle feinen Einzelheiten der Form und Endbearbeitung zu erkennen. Wenn Sie dies tun, werden Ihnen zweifellos schon bei der Examination oder spätestens, wenn Sie den Kopf wieder heben, einige Gedanken durch den Kopf gehen. Weil nämlich jeder anscheinend einfache und gerade Zeiger gar nicht so einfach ist, sondern unter der Lupe ebenso feine wie komplexe Formen und Details offenbart. Und weil sich Ihnen alsbald die Frage aufdrängt, wie denn diese unglaublich kleinen, komplexen und fragilen Dinger eigentlich hergestellt werden. Genau so ist es dem Verfasser bei einem Besuch der Universo-Zeigerfabrik in La Chaux-de-Fonds ergangen, als er den Geheimnissen hinter den vielfältigen Formen der Blancpain-Zeiger auf die Spur kommen wollte.

Es überrascht wahrscheinlich nicht, dass die Zeigerfertigung zu den großen Spezialisierungen der Uhrenbranche gehört. Geht man auf die Wurzeln dieses Handwerks zurück, findet man eine Vielzahl von wirklich kleinen Werkstätten in den Uhrmacherregionen der Schweiz. Jede deckte den Bedarf der umliegenden Uhrenfabriken. Die heutige Universo SA – wie Blancpain eine Tochter der Swatch Group und Lieferantin sämtlicher Zeiger der Manufaktur aus Le Brassus – entstand vor mehr als einem Jahrhundert durch den Zusammenschluss von nicht weniger als fünfzehn solcher Kleinbetriebe. Diese Konsolidierung verstärkte sich bereits 1924 durch den Beitritt von acht weiteren Herstellern. In den 1940er Jahren waren insgesamt vierzig selbständige Zeigerwerkstätten der Universo angegliedert oder geschlossen worden. Und 1949, als in Vallorbe eine neue Fabrik eröffnet wurde, umfasste das Unternehmen zwölf verschiedene und geografisch zerstreute Produktionsstandorte. Dabei handelte es sich um praktisch völlig unabhängige Betriebe, die getrennt voneinander arbeiteten, obwohl sie rechtlich und verwaltungs- sowie finanztechnisch konsolidiert waren. In einer wichtigen Hinsicht spiegelte diese annähernd autonome Tätigkeit die historischen handwerklichen Wurzeln dieser Branche wider. Alle suchten der Nachfrage jedes Uhrenfabrikanten gerecht zu werden, der Zeiger mit eigenem, unverwechselbarem Stil wünschte. Blickt man sich im Universum der Uhrenbranche um, ist die enorme stilistische wie qualitative Verschiedenartigkeit der Zeiger augenfällig. Eine derart getrennte, autonome Produktionsweise erfüllte offensichtlich bestens den Zweck, diese Vielfalt blühen zu lassen.

Die Nachfrage nach UNTERSCHIEDLICHEN ZEIGERFORMEN ist größer denn je.

Die Nachfrage nach unterschiedlichen Formen besteht selbstverständlich weiter, ja ist größer denn je. Blancpain zum Beispiel bietet sechs verschiedene Uhrenkollektionen an, jede mit ihrem eigenen unverwechselbaren Stil. Dabei begann der Aufstieg der modernen Marke und Manufaktur Blancpain in den 1980er Jahren bekanntlich mit einer einzigen und stilistisch einheitlichen Kollektion. Tatsächlich ist die Vielfalt der Zeiger weit breiter, als die Zahl der Kollektionen erahnen lässt, da in jeder einzelnen Kollektion bei den Zeigern große Designunterschiede bestehen können. So haben etwa innerhalb der Kollektion Fifty Fathoms die Zeiger der BathyscapheModelle ihre eigene Identität, die sich deutlich von jener der eigentlichen Fifty-Fathoms-Taucheruhren unterscheiden. Und sogar innerhalb der BathyscapheUnterkollektion gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Zeigern für Modelle mit Keramik- oder Stahlgehäuse. Ganz abgesehen davon kann auch eine einzige Uhr zahlreiche Zeiger mit unterschiedlicher Form und Farbe aufweisen. So verfügt etwa der ewige Kalender Villeret Quantième Perpétuel 8 Jours über Blattzeiger für Stunde und Minute, kleine blaue Zeiger für Wochentag, Monat und Datum sowie kleine goldene Zeiger für das Schaltjahr und den Mondmonat. Und obwohl es Universo heute gelungen ist, die verschiedenen Produktionsstandorte unter einem Dach zusammenzuführen, wurde darauf geachtet, dem Marktanspruch nach völlig unterschiedlich gestalteten Zeigern weiterhin gerecht zu werden und so die Tradition der Anfänge fortzusetzen. Die Manufaktur beherrscht eine breite Palette von Verfahren und Prozessen, die man je nach dem besonderen Design des jeweiligen Zeigers einsetzt.

Selbstverständlich reicht ein Tag in der UniversoFabrik in La Chaux-de-Fonds bei weitem nicht aus, um das Geheimnis der Verfahren oder Rezepte für die Herstellung der Blancpain-Zeiger zu lüften. Auch hier ist Vielfalt oberstes Gebot. Denn selbst für die Produktion der Zeiger eines einzigen Modells, geschweige denn der verschiedenen Kollektionen, ist je nach Design des einzelnen Zeigers ein breites Spektrum von Arbeitsschritten und Prozessen erforderlich.

Ein Zeiger wird für das Prägen vorbereitet.

Ein Zeiger wird für das Prägen vorbereitet.

Zeigerfabrikanten müssen eine VIELFALT VON VERFAHREN MEISTERN.

Einige Grundbegriffe sind notwendig, um die Zeigerfabrikation zu verstehen; sie sind hier der Einfachheit halber zusätzlich mit den französischen Fachwörtern angegeben. Die meisten Uhrzeiger bestehen aus einem einzigen dünnen, leichten Metallstück, der Platte (planche). Sie setzt sich aus zwei Hauptteilen zusammen: Der Kopf (tête) hat ein kleines Loch, das mit einem Rohr (canon) ausgestattet ist. Beim Stundenzeiger sitzt dieses fest auf der Stundenradachse und dient als Halterung des Zeigers. Am Kopf sitzt der Zeigerarm, auch Körper (corps) genannt, der in der Spitze (pointe) endet. Bei manchen Zeigern wie dem Chronographen- oder einem einfachen Sekundenzeiger aus der Mitte ist die Form etwas komplizierter, da sie gegenüber dem Arm, auf der anderen Seite des Kopfs, als Gegengewicht verlängert sind.

Beim Stunden- und Minutenzeiger beginnt die Herstellung mit dem Loch und dem Rohr. Je nach Länge der Zeiger werden die Spezifikationen und Toleranzen für die spätere Befestigung auf der Achse festgelegt. Der einwandfreie Sitz hängt davon ab, wie exakt die beiden Elemente auf der Platte ausgestanzt werden.

Bei Zeigern, die ein längeres Rohr benötigen, wird das Loch von Hand gebohrt und das Rohr ebenfalls manuell festgenietet. Längere Rohre sind besonders wichtig bei langen und schnell drehenden Zeigern wie den bereits erwähnten Sekundenzeigern. Denn jeder, der eine mechanische Stoppuhr hat, weiß, wie rasend schnell der Stoppuhr-Sekundenzeiger beim Nullen zurückfliegt und brutal stoppt. Er benötigt deshalb eine besonders robuste Halterung, und ein extralanges Rohr sorgt dafür, dass der Zeiger solid auf seiner Achse sitzt. Für diesen Arbeitsschritt ist höchste Präzision angesagt. Bei Blancpain liegt die Toleranz bei einem Mikron oder Tausendstelmillimeter

Für die Herstellung der Platte stehen den Zeigerfabrikanten verschiedene Verfahren zur Verfügung. Ein Schneid- oder Stanzverfahren wird etwa für die Stunden- und Minutenzeiger der Kollektion Villeret angewandt, die in der Mitte des Körpers elegant durchbrochen sind. Für dieses Skelettieren wird dieselbe Technik eingesetzt. Danach folgt ein erstes, handwerkliches Polieren. Dafür klebt der Polierer die Zeiger auf eine Halterung und bearbeitet jedes Stück einzeln, getreu der Tradition der Uhrmacherkunst. Danach werden die Zeiger gewaschen und sorgfältig auf ihr Aussehen geprüft. Haben sie diese Inspektion bestanden, werden sie vorsichtig geprägt, um den Rand des Kopfs mit einer leicht abgeschrägten, feinen Zierleiste zu schmücken. Ebenfalls durch Prägen wird der Körper leicht abgerundet. Die Minutenzeiger erhalten einen zusätzlichen Schmuck in Form einer feinen Rille (gouge), die das Zentrum des Kopfs umrundet und den Blick anzieht. Wieso nur beim Minutenzeiger? Nach kurzem Überlegen versteht man wieso. Da der Kopf des Minutenzeigers jenen des Stundenzeigers vollständig überdeckt, wäre dessen Dekor ja gar nicht sichtbar!

Feinpolieren für den letzten Schliff.

Feinpolieren für den letzten Schliff.

Die Spitze wird von Hand rot lackiert.

Die Spitze wird von Hand rot lackiert.

ZEIGER

Beim Bläuen oder Anlassen der Zeiger wird die uhrmacherische TRADITION respektiert

Noch bleiben weitere Arbeitsschritte. Jeder Zeiger wird nochmals einzeln poliert, um einen glänzenden Finish zu erreichen. Dann werden sie erneut gewaschen und visuell inspiziert. Und weil die VilleretZeiger leicht abgerundet wurden, muss dabei auch geprüft werden, ob die Rundung des Körpers korrekt und der Kopf absolut flach geblieben ist.

Für die Zeiger der Komplikationsfunktionen gibt es zusätzliche Verfahren. So hat beispielsweise das Modell Villeret Quantième Perpétuel 8 Jours wie erwähnt gebläute Zeiger für den Wochentag, den Monat und das Datum. Während viele Hersteller Chemikalien oder galvanische Verfahren einsetzen, um die Zeiger blau zu färben, respektiert Blancpain die Uhrmachertradition, den Blauton durch Anlassen oder Bläuen zu erzielen, indem man das Metall gezielt erwärmt. Es braucht viel Know-how und Erfahrung, damit nicht nur der einzelne, sondern alle Zeiger einer Uhr so angelassen werden, dass ihr Blauton identisch ist. Nach dem Anlassen wird jeder Zeiger erneut visuell geprüft, um sicherzustellen, dass Farbton, Planheit und Form einheitlich sind.

Noch komplizierter wird’s bei den gebläuten Serpentinzeigern von Blancpain. Sie finden sich in den Villeret-Modellen mit ewigem Kalender und Mondphasenanzeige. Der Einsatz von Serpentin- oder Schlangenzeigern ist eine Reverenz an eine große Uhrmachertradition. In der Vergangenheit benutzten die Uhrmacher solche Zeiger für zusätzliche Angaben wie das Datum, um sie mit ihrer gewundenen Form von den primären Zeitanzeigen abzuheben. Die Serpentinzeiger von Blancpain werden auf die gleiche Weise angelassen wie die gebläuten geraden Zeiger. Danach wird jeder Zeiger unter der Lupe geprüft, ob er nach diesem Erhitzen einwandfrei eben ist und sich nicht verformt hat.

Lange und dünne Zeiger wie jene für die Chronographensekunde werden einer zusätzlichen Inspektion unterzogen. Man kontrolliert sie auf einer sogenannten Abrichtplatte, die absolut plan ist, und glättet sie gegebenenfalls sorgfältig von Hand.

ZEIGER
Jeder einzelne Zeiger wird geprüft und wenn nötig von Hand geglättet.

Jeder einzelne Zeiger wird geprüft und wenn nötig von Hand geglättet.

Die Zeiger für die Kollektionen FIFTY FATHOMS und BATHYSCAPHE erfordern spezifische Verfahren.

Die Zeiger für die Taucheruhren der Kollektionen Fifty Fathoms und Bathyscaphe erfordern weitere Arbeitsschritte. Der wichtigste ist das Beschichten mit Super-LumiNova, damit sie in der Dunkelheit unter Wasser leuchten. Dieser Leuchtstoff wird von Hand aufgetragen, und zwar von hinten. Der Handwerker plaziert den Zeiger mit der Rückseite oben auf der Unterlage und pinselt das Super-LumiNova sorgfältig in die durchbrochene Mitte des Zeigerarms. Das Verfahren ist anspruchsvoll und verlangt viel Geduld, denn Blancpain spezifiziert die Stärke des Leuchtstoffs genau, die nach dem Auftrag auf der Rückseite des Zeigers übrigbleiben darf. Wird zu viel Material aufgetragen, besteht die Gefahr, dass der Minutenzeiger den Stundenzeiger beim Passieren streift und beschädigt oder dass der Stundenzeiger das Zifferblatt zerkratzt. Ein weiterer Arbeitsschritt betrifft die großen Sekundenzeiger oder den Zeiger der Chronographensekunde in den Bathyscaphe-Modellen, deren Spitze von Hand rot bemalt wird. Um das genaue Ablesen zu erleichtern, wird dabei die über den Stundenkreis gleitende Spitze leicht nach unten gebogen. Auch dies geschieht bei jedem Zeiger von Hand, Stück für Stück.

Wieder etwas anders werden die Chronographensekundenzeiger wegen ihres Gegengewichts hergestellt. Das Design von Blancpain setzt ein kurzes und deshalb massives Gegengewicht als Ausgleich für den langen, äußerst dünnen und feinen Körper voraus. Doch wie fertigt man einen Zeiger an, der auf der einen Seite dick und auf der anderen dünn ist? Die Antwort ist nicht etwa, beim Gegengewicht Material anzufügen, sondern beim Körper abzutragen. Deshalb wird jeder dieser Zeiger aus einer Platte in der Stärke des Gegengewichts ausgestanzt und dann das unerwünschte Material am Körper oder Arm maschinell entfernt.

Eine der vielen Freuden von Uhrensammlern ist es, alle Einzelheiten der verschiedenen Elemente kennenzulernen, die bei der Herstellung einer edlen mechanischen Uhr zusammenkommen… die Werkkomponenten, Gehäuse und Zifferblätter, der künstlerische Schmuck, die Armbänder… und selbstverständlich auch die Zeiger.

ZEIGER

Kapitel 07

Pristine Seas Expeditions

Die Pristine-Seas-Expeditionen mit Blancpain von 2011 bis 2015.

Autoren der Kapitel

DR. ENRIC SALA
Pristine Seas Expeditions
Weiterlesen

Andere Ausgaben

Registrieren Sie sich und erhalten Sie neue Veröffentlichungen