Kapitel 1
Die längst ikonische Fifty Fathoms MIL-SPEC wurde von der US-Navy als offizielle Taucheruhr ausgewählt. Die neue Tribute von Blancpain ist eine Hommage an diese Geschichte.
In der Rückschau ist man immer gescheiter. Dank der schier grenzenlosen Klarsicht, die sie ermöglicht, kann sich jeder von uns unglaublich kreativ fühlen. Neuerungen, die trotz oft entmutigenden Rückschlägen aus unermüdlicher Arbeit hervorgingen, wirken im Nachhinein einfach und naheliegend. Angesichts der über ein halbes Jahrhundert dauernden Geschichte der Blancpain Fifty Fathoms und der inspirierenden Einsichten, die zu ihren Charakteristiken führten, könnte man nur allzu leicht in diese Rückblick-Falle tappen: „Nun, das ist selbstverständlich das, was eine Taucheruhr ausmacht; sind sie denn nicht alle so?“
Und tatsächlich gibt es heute eine Reihe von Merkmalen, die fast universell für die Definition dieses Genres anerkannt sind. Allerdings nicht, weil diese Elemente von Anfang an auf der Hand lagen, wie man im Nachhinein vermuten könnte, sondern weil ein Pionier die erste moderne Taucheruhr schuf und der Rest der Welt folgte. Diese Pionierleistung hat Blancpain vollbracht.
Die Premiere der neuen Blancpain Tribute to Fifty Fathoms MIL-SPEC an der Baselworld 2017 – einer Taucheruhr, die alle wesentlichen Charakteristiken der ursprünglichen Fifty Fathoms verkörpert sowie als zusätzliches Element einen Feuchtigkeitsindikator bietet – ist der gegebene Anlass, die Entwicklung der Fifty Fathoms vom ersten Modell bis zu den beiden Versionen der Fifty Fathoms MIL-SPEC nachzuvollziehen, die für die US-Navy kreiert und zu bahnbrechenden Konstruktionen in der Geschichte des Tauchens wurden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs steckte das Flaschentauchen noch in den Anfängen. Wie so oft auf einem neuen Gebiet war die Ausrüstung nicht auf der Höhe der Wünsche und Anforderungen. Amateurund professionelle Taucher (damals vor allem Militärs) suchten nach Wegen, die Gefahren der Unterwasserwelt und ihrer Bedingungen zu meistern. Verschiedene Ereignisse führten zum Brückenschlag zwischen den Bestrebungen dieser beiden Gruppen, aus denen 1953 die Fifty Fathoms hervorging. Der Amateur war Jean-Jacques Fiechter, damals Generaldirektor von Blancpain, die militärischen Profis Robert („Bob“) Maloubier und Leutnant Claude Riffaud, die Leiter der kurz zuvor gegründeten Kampftauchertruppe der französischen Marine. In Fiechters Amateurtaucherwelt – er war Mitglied eines Clubs in Südfrankreich – war man sich noch nicht bewusst, dass Taucher eine Uhr brauchten. Das änderte sich erst, als Jean-Jacques bei einem Tauchgang – ohne Uhr, um seine Zeit unter Wasser zu messen – realisierte, dass der Sauerstoff seiner Flaschen zur Neige ging.
Er meisterte die aufkommende Panik, weil er wusste, dass ein schnelles Auftauchen zu gefährlich war und er die noch verfügbare Atemluft für ein allmähliches Aufsteigen und die entsprechende Druckverminderung nutzen musste. Er überlebte den Schrecken, aber über die ausgestandene Angst hinaus wurde ihm klar, wie überlebenswichtig beim Tauchen ein zuverlässiges Zeitmessinstrument war. Nach der Rückkehr in die Schweiz machte er sich daran, in den Blancpain-Werkstätten eine Uhr zu entwickeln, die es ihm und allen anderen Tauchern ermöglichen sollte, die Zeit ihrer Tauchgänge sicher, einfach und zuverlässig zu messen. Er hatte kein Drehbuch. Es gab keinen Präzedenzfall. In den meisten Fällen baut die uhrmacherische Entwicklung auf dem Fundament auf, das frühere Uhrmacher durch die Jahrhunderte gelegt hatten. Doch da es kein Vorbild für eine Taucheruhr gab, formulierte Fiechter die Anforderungsliste für die Eigenschaften seiner Uhr auf dem weißen Blatt: Selbstverständlich muss sie wasserdicht sein. Aber wie kann man sie in dieser nassen Umwelt aufziehen und einstellen? Wie soll die Startzeit des Tauchgangs markiert werden, damit man die verbleibende Zeit messen kann? Magnetfelder sind in der Tauchumgebung häufig präsent. Wie kann die Uhr abgeschirmt werden? Was ist notwendig, damit sie im Dämmerlicht oder Dunkel der Tiefe abgelesen werden kann? Was könnte die Ablesbarkeit verbessern? Soll die Uhr einen Hand- oder Automatikaufzug haben? Antworten zu finden war lebenswichtig, aber mindestens ebenso wichtig war es auch, die richtigen Fragen zu stellen.
Die beiden französischen Marineoffiziere hatten es nicht viel einfacher. In einer Hinsicht waren sie Fiechter voraus. Sie hatten bereits festgelegt, dass ihre Kampftaucher ein Zeitmessgerät benötigen würden, das musste ihnen nicht erst durch die ausgehende Luft beim Tauchen demonstriert werden. Auf der Suche nach einer brauchbaren Uhr waren sie zunächst auf die bekannte französische Uhrenmarke LIP aufmerksam geworden. Die Firma schickte ihnen denn auch Muster, die man intern als Taucheruhren einstufte. Diese Modelle waren klein, unter Wasser schwer abzulesen und – das war am schlimmsten – weit davon entfernt, wasserdicht zu sein. Laut Maloubiers Kommentar zu den Tests waren all diese Uhren „abgesoffen“. Andere Uhrenhäuser, die von den beiden Offizieren kontaktiert wurden, hatten nichts zu bieten. Schließlich kamen sie bei Blancpain mit Jean-Jacques Fiechter in Kontakt.
Damit war die Brücke zwischen der Militär- und der Amateurtaucherwelt gebaut. Die Vorstellungen des französischen Teams für die Unterwassermissionen seiner Nageurs de combat und die Spezifikationen von Fiechter aufgrund seiner eigenen Taucherfahrung deckten sich völlig. Anhand der für die Evaluation zur Verfügung gestellten Prototypen für die künftige Fifty Fathoms erkannten Maloubier und Riffaud, dass das Blancpain-Konzept den Anforderungen für ihre Truppe entsprach. Die Zeitmesser funktionierten denn auch während der Tests zur vollen Zufriedenheit. Die französische Marine hatte ihre Uhr.
Und worin bestand nun die Formel, die mit der Fifty Fathoms von Blancpain debütierte? Die namengebende höhere Wasserdichtigkeit von fünfzig Faden (ungefähr 90 Meter) basiert auf zwei Konstruktionselementen, für die Fiechter Patente erhielt: zwei Dichtungsringe für die Krone und ein spezielles Design der Gehäusebodendichtung. Die Lösung bei der Krone war besonders raffiniert: Dank der doppelten Dichtungsringe war der Schutz vor Feuchtigkeit auch dann gegeben, wenn die Krone zum Aufziehen halb herausgezogen wurde. Um den Verschleiß der Kronendichtungen zu minimieren, wie er beim täglichen Aufziehen von Hand auftreten würde, entschied sich Fiechter zudem für ein Uhrwerk mit Automatikaufzug. Der guten Ablesbarkeit schenkte er besondere Aufmerksamkeit, wird sie doch durch die Lichtverhältnisse unter Wasser und die Tauchermasken erschwert. Deshalb wählte er für die Fifty Fathoms einen großen Durchmesser und rein weiße Indexe, Lünettenmarkierungen und Zeiger über einem schwarzen Zifferblatt. Um das Ablesen bei Dunkelheit zu erleichtern, wurden diese Elemente mit Leuchtstoff beschichtet. Eine geniale Vorrichtung war die drehbare Lünette. Indem man ihre Markierung zu Beginn des Tauchgangs auf den Minutenzeiger ausrichtete, konnte die von da an verstrichene Zeit direkt an ihrer Minutenteilung abgelesen werden. Um ein unbeabsichtigtes Verstellen der Lünette zu verhindern, entwickelte Fiechter einen Verriegelungsmechanismus. Und da es gerade für militärische Taucherteams wichtig ist, die Uhren genau aufeinander abzustimmen, stattete Fiechter die Fifty Fathoms mit einem Mechanismus aus, der die Zeiger stoppte, sobald die Krone zum Richten herausgezogen wurde. So konnte die Gruppe die Zeit auf die Sekunde genau synchronisieren. Und da er wusste, dass etwa beim Tauchen in der Nähe von Schiffen starke Magnetfelder bestehen, schirmte er das Werk durch einen Weicheisenmantel innerhalb des Gehäuses ab, der als Schutzschild fungierte. Noch nie zuvor war eine Taucheruhr mit solchen perfekt auf die Unterwasserwelt und die Bedürfnisse der Taucher abgestimmten Konstruktionsund Funktionsmerkmalen gebaut worden.
Was ideal für die französische Marine war, passte auch den zivilen Sport- und Berufstauchern vollkommen. Neben den Sauerstoffflaschen, Atemschutzgeräten, Masken und Flossen etablierte sich die Fifty Fathoms schnell als unverzichtbares Ausrüstungselement. Und zwar in einem Ausmaß, dass diese Uhren in der Regel in Tauchsportgeschäften verkauft wurden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tauchflaschen- und Atemschutzgeräte-Hersteller AquaLung, der in seinen Einzelhandelsgeschäften nicht nur Ausrüstungen aus eigener Produktion verkauft und vermietet, sondern auch Fifty-Fathoms-Uhren. Um die enge Verbindung zwischen diesen Zeitmessern und den anderen Tauchutensilien von AquaLung zu verdeutlichen, bestellte das Unternehmen direkt bei Blancpain Modelle mit dem Aufdruck „Aqua Lung“ auf dem Zifferblatt.
Die französische Marine war keineswegs die einzige Seestreitkraft, die ihre Taucher mit der Fifty Fathoms ausrüstete. Sie wurde auch von den Vereinigten Staaten, Deutschland, Spanien, Israel, Pakistan und anderen Ländern übernommen. Doch es ist vor allem ihr Einsatz in der US-Navy, der ein eigenes Kapitel in der Geschichte der Fifty Fathoms und ihrer verschiedenen Abwandlungen verdient. Diese Fifty-Fathoms-Uhren der US-Navy wurden unter dem Namen „MIL-SPEC“ bekannt. Heute sind MIL-SPEC-Modelle auf dem Vintage-Markt wohl die begehrtesten und gesuchtesten Uhren der 1950er Jahre, dies mit explodierenden Auktionspreisen. Das Erbe der MIL-SPEC bewog denn auch Blancpain, die neue limitierte Edition Tribute to Fifty Fathoms MIL-SPEC herauszugeben, die bei ihrer Premiere an der Basler Messe 2017 für Furore sorgte. Doch bevor wir dieses Modell beschreiben, wollen wir zunächst auf die Geschichte zurückkommen, die dahintersteckt.
In diesem Kapitel in der Geschichte der Fifty Fathoms spielt der Diamantenhändler Allen V. Tornek eine wichtige Rolle. Nachdem er den in New York lebenden René Fiechter, den Bruder von Jean-Jacques, kennengelernt hatte, taten sich die beiden mit dem Ziel zusammen, die damals in den USA geltenden Strafzölle für Uhreneinfuhren zu vermeiden. Über René kam Tornek mit Jean-Jacques in Kontakt, und daraus ergab sich die jahrzehntelange Geschäftsbeziehung als Vertriebspartner von Blancpain in den Vereinigten Staaten.
Wenn es in der Entwicklung der Fifty Fathoms eine Konstante gibt, dann ist es die zentrale Rolle der Tauchsportleidenschaft in entscheidenden Momenten. Jean-Jacques Fiechter hatte die Uhr aufgrund seiner Erfahrung als Taucher entwickelt. Ihre moderne Renaissance wurde vom heutigen Präsidenten und CEO von Blancpain, Marc A. Hayek, vorangetrieben, ebenfalls einem begeisterten Taucher. In Torneks Fall war Sohn Larry frisch vom Tauchvirus infiziert worden, als sein Vater bei einem der frühen Treffen mit Jean-Jacques Fiechter erstmals mit einer Fifty Fathoms Bekanntschaft machte. Die neue Tauchleidenschaft seines Sohnes weckte verständlicherweise sein Interesse, und so flog er mit dieser Taucheruhr nach Hause. Natürlich war Larry so begeistert, dass er seine Fifty Fathoms noch heute sorgfältig aufbewahrt, ein halbes Jahrhundert später. Angesichts der Freude seines Sohns über das Geschenk keimte in Allen V. Tornek der Gedanke, die Fifty Fathoms in den Vereinigten Staaten zu vertreiben. Und als er von der Übernahme durch die französische Marine erfuhr, suchte er nach Wegen, mit dem größten potenziellen Abnehmer auf dem US-Markt, der Navy, ins Geschäft zu kommen.
Der Umgang mit dem labyrinthischen Dschungel des Beschaffungswesens der US-Regierung ist schwierig, vor allem wenn das Militär involviert ist. Da Tornek wusste, dass er einen Führer brauchte, bat er einen pensionierten Oberst in Washington D.C. um Hilfe. Damals, 1955, entwickelte die Navy eine Spezifikation für sogenannte submersible wristwatches. Das Verfahren, einen Auftrag für Blancpain zu erhalten, wäre auch unter normalen Umständen schwierig gewesen. Doch nun sahen sich Fiechter und Tornek mit der Tatsache konfrontiert, dass die Navy bereits eine starke Vorliebe für einen amerikanischen Uhrenfabrikanten hatte. Tatsächlich hatte sie die Spezifikationen im Hinblick auf die Auftragserteilung in Zusammenarbeit mit diesem potenziellen Lieferanten erstellt.
Verschlimmert wurde die Situation durch den Buy American Act, der die Einfuhr ausländischer Uhren durch eine Reihe von Hindernissen erschweren sollte, wie etwa die Vorschrift, nur in den USA hergestellte Rubine zu „kaufen“ (auf dieses Wort kommen wir später zurück) oder als zusätzlich abschreckendes Element einen Zolltarif von 25 Prozent. Für Blancpain standen die Aussichten schlecht. Dessen ungeachtet ging Tornek die Sache an. Er flog in die Schweiz und traf sich mit Jean-Jacques Fiechter. Trotz scheinbar unüberwindlichen Hindernissen und dem für die Auftragserteilung an amerikanische Unternehmen zugeschnittenen Offertverfahren entschlossen sich Fiechter und Tornek, dranzubleiben.
Der Spezifikationsentwurf von 1955 war offensichtlich nicht im luftleeren Raum verfasst worden. Seine Anforderungen entsprachen weitgehend den Eigenschaften der Fifty-Fathoms-Uhren, die bereits in anderen Seestreitkräften im Einsatz waren. Er liest sich wie eine Beschreibung dessen, was Blancpain mehr als zwei Jahre zuvor erfunden hatte, abgesehen von einem Zusatz, dem Feuchtigkeitsindikator, den Blancpain, wie sich herausstellte, nachträglich hinzugefügt hatte.
Wasserdichtigkeit
3.6.1 Anforderungen, Fall, Allgemeines
Das Gehäuse-Uhrglas-Ensemble muss abgedichtet und ausreichend steif sein, um im Differenzdruckverfahren leckfrei einem hydrostatischen Druck von 175 Pfund pro Quadratzoll standzuhalten.
3.9 Anforderungen, Feuchtigkeitsindikator
Auf dem Zifferblatt muss an gut sichtbarer Stelle und sicher ein Feuchtigkeitsindikator befestigt sein. Die freie Drehbewegung der Zeiger darf nicht beeinträchtigt werden, wenn der Indikator montiert ist.
Sichtbarkeit bei Dunkelheit
3.7.1 Anforderungen, Zifferblätter und Zeiger, Allgemeines
Die Ablesbarkeit ist von größter Wichtigkeit. Die Uhr soll in völliger Dunkelheit abgelesen werden können. Es ist darauf zu achten, dass alle Markierungen scharfkantig, sauber und leicht von anderen entfernten oder benachbarten Markierungen zu unterscheiden sind.
3.7.4 Anforderungen, Zifferblätter und Zeiger
Die drei Zeiger müssen sich klar voneinander unterscheiden und sich zudem deutlich vom Zifferblatthintergrund abheben, dies sowohl bei Tageslicht als auch in völliger Dunkelheit.
Äußerer, drehbarer Ring
3.6.6 Anforderungen, drehbarer Ring
Die Uhr muss mit einem drehbaren Ring an der Stelle ausgestattet sein, die üblicherweise die Lünette einnimmt. – Bei der Verwendung wird der Ring gedreht, um die Indexmarke auf einen der Zeiger auszurichten. Der Ring muss so konstruiert sein, dass er ohne Werkzeug von Hand gedreht und eingestellt werden kann sowie gegen unbeabsichtigte Bewegungen durch Abrieb, Schock oder Vibration geschützt ist.
Während die US-Navy darauf wartete, dass die „favorisierte“ amerikanische Uhrenfirma einen solchen Zeitmesser entwickelte, benötigte sie eine Übergangslösung. Ihre Bemühungen wurden in einem Bericht vom Dezember 1957 zusammengefasst, in dem sie festhielt, Blancpain und eine andere Schweizer Marke besäßen Taucheruhren, die als brauchbar beurteilt würden.
Blancpain blieb einen Schritt voraus, verfügte die Manufaktur doch bereits über mehr als zwei Jahre Erfahrung mit der Fifty Fathoms. Dies veranlasste Fiechter, das ursprüngliche Modell von 1953 durch einen Feuchtigkeitsindikator zu ergänzen. Eine solche Anzeige machte für ihn Sinn, da er wusste, dass Taucheruhren, die als Teil der Ausrüstung abgegeben wurden – wie vor allem im militärischen Bereich –, in vielen Situationen nicht mit der gleichen Sorgfalt wie eine eigene Uhr gehandhabt würden. Denn die Zeitmesser wurden den Soldaten ja nicht zur ständigen persönlichen Verwendung anvertraut, sondern zusammen mit dem Rest der Tauchausrüstung nur für den jeweiligen Einsatz abgegeben und am Ende wieder eingesammelt. So würden die Männer wahrscheinlich bei jeder Übung oder Mission mit einer anderen Uhr tauchen und – besonders wichtig – keine Ahnung haben, wie sie vorher benutzt oder vielleicht gar malträtiert worden war. Fiechter sah darin ein Risiko. Was wäre, wenn die Krone bei einem früheren Tauchgang an einem Netz hängengeblieben oder vom Taucher so unsorgfältig manipuliert worden wäre, dass Wasser hätte eindringen können? Ohne entsprechenden Rapport würden solche Vorkommnisse unbekannt bleiben. Fiechters Lösung war elegant. Er montierte auf dem Zifferblatt über 6 Uhr eine kleine Kreisscheibe mit einer Beschichtung, die sich beim Eindringen von Feuchtigkeit sofort verfärben würde. Diese Version der Fifty Fathoms wurde nicht nur von der französischen Marine übernommen, sondern auch von Jacques-Yves Cousteau und seinem Team, etwa während der Dreharbeiten zu dem 1957 mit einem Oscar ausgezeichneten Film Le Monde du silence.
Als Fiechter Einsicht in die Spezifikationen der US-Navy von 1955 erhielt, verbesserte er das Konzept des Feuchtigkeitsindikators, indem er die Scheibe in eine rote und eine hellblaue Hälfte unterteilte. Letztere würde ihre Farbe beim Eindringen von Feuchtigkeit ebenfalls auf Rot ändern. War also die blaue Farbe bei Entgegennahme der Uhr vor dem Einsatz gut zu sehen, konnte der Taucher darauf vertrauen, dass die Uhr wasserdicht war und nicht früher einmal undicht geworden war.
Die erste Serie von Fifty-Fathoms-Uhren, die mit diesem zweifarbigen Feuchtigkeitsindikator ausgestattet war, erhielt den Namen „MIL-SPEC“ als Kennzeichen, dass sie den militärischen Spezifikationen der US-Navy entsprach.
Mehrere dieser MIL-SPEC-Taucheruhren wurden 1958 von der US-Navy getestet, gemeinsam mit Modellen zweier weiterer Schweizer Hersteller. Die Uhr der von der Navy favorisierten amerikanischen Firma steckte noch in der Entwicklung und konnte daher nicht berücksichtigt werden. Die Genehmigung für den Einsatz der Blancpain MIL-SPEC als Übergangslösung wurde bestätigt. Tatsächlich erfüllte sie als einzige Uhr des Tests sämtliche Anforderungen des Spezifikationsentwurfs von 1955. Interessanterweise bestand die zweite Schweizer Uhr, die 1957 neben der Fifty Fathoms für den Interimseinsatz zugelassen worden war, den Test nicht und wurde von der Liste der US-Navy gestrichen.
1959 fand eine weitere Testrunde statt. Anlass dafür war eindeutig die Tatsache, dass die favorisierte amerikanische Firma endlich ihren Prototyp konstruiert hatte. Weit davon entfernt, ihre Voreingenommenheit zu verbergen, schrieb die Navy ausdrücklich, das „primäre Ziel“ dieses neuen Tests sei, neben den Schweizer Zeitmessern auch eine amerikanische Uhr im militärischen Einsatz evaluieren zu können. Bei der Fifty Fathoms MIL-SPEC sah die Navy offensichtlich gar keine Notwendigkeit für erneute Prüfverfahren, schrieb sie doch: „Diese Uhr [Blancpain] wurde seit dem Bericht von 1958 keinen besonderen Tests unterzogen, sondern kontinuierlich in zahlreichen Arbeitstauchgängen eingesetzt.“
Die US-Taucheruhr hielt sich nicht gut. Die Navy kritisierte eine „Tendenz des Lünettenrings, sich zu lösen“; außerdem könne der Feuchtigkeitsindikator einzig die Wasserdichtigkeit zum Zeitpunkt der Herstellung anzeigen, und die Gestaltung des Zifferblatts und der Zeiger sei „keineswegs optimal“. Als einzige Uhr erfüllte wiederum die MIL-SPEC von Blancpain jeden einzelnen Test und sämtliche Kriterien. Der Bericht verweist auf die Erfahrungen der Navy mit zwölf Exemplaren dieser Version während ihrer „Operation HARDTACK“. Bei diesem Einsatz wurden die zwölf MIL-SPEC-Taucheruhren drei bis vier Monate lang ununterbrochen getragen. Der Bericht über diese Operation spricht Bände:
„Die [Uhren] wurden in dieser Zeit von Tauchern aktiv benutzt und waren Schocks sowie hartem Gebrauch bei schweren Arbeiten an der Oberfläche und unter Wasser ausgesetzt. Die maximale Tauchgangtiefe betrug 185 Fuß, eine extrem hohe Zahl von Tauchgängen fanden jedoch in ungefähr 150 Fuß Tiefe statt. Primärer Einsatzbereich der Uhren war das Flaschentauchen, bei dem in diesen Tiefen das Timing entscheidend wichtig ist.“
Die Leistung der Uhren wurde als „sehr zufriedenstellend“ bezeichnet, und keine der Uhren „wies eine Undichtigkeit auf “. Die Drehlünette wurde besonders gelobt.
„Der äußere Ring der Uhren wurde bald als unverzichtbares Feature eingestuft… Beim einfachen Einstellen des Rings und Ablesen der Zahlen war die Blancpain-Uhr den verschiedenen anderen bei der Operation eingesetzten Typen ganz klar überlegen.“
Zudem wurden zwei weitere Blancpain-Sonderfunktionen erwähnt:
„Zwei scheinbar unbedeutende Elemente – dass erstens beim Einstellen der Uhr keine Kronenverschlusskappe abgeschraubt werden muss und zweitens die Zeiger beim Herausziehen der Aufzugwelle stoppen – erwiesen sich als sehr wertvoll in Situationen, in denen es notwendig war, mehrere Uhren rasch zu synchronisieren. Anzumerken ist zudem, dass das Fehlen einer Verschlusskappe die Wasserdichtigkeit offensichtlich nicht beeinträchtigte.“
Die Leistung der Uhren wurde als „sehr zufriedenstellend“ bezeichnet, und keine der Uhren „wies eine Undichtigkeit auf “. Die Drehlünette wurde besonders gelobt.
Der Bericht verweist damit auf zwei Konstruktionselemente, die schon in den ersten Versionen der Fifty Fathoms von Fiechter vorhanden waren. Die Uhrwerke sind so konzipiert, dass die Zeiger augenblicklich stillstehen, sobald die Krone in die Richtposition gezogen wird. Das erleichtert es enorm, mehrere Uhren auf die genau gleiche Zeit einzustellen. Die überlegene Wasserdichtigkeit ohne Schraubverschluss wiederum ist auf Fiechters patentierte doppelte Dichtung der Krone zurückzuführen.
Das Fazit des Berichts steigert das Lob:
„Insgesamt sind die Erfahrungen mit den 12 Blancpain-Unterwassermodellen während der Operation HARDTACK zur vollen Zufriedenheit ausgefallen. Lohnende Vorschläge für die Verbesserung dieser Uhr können nicht gemacht werden.“
Eine weitere Beobachtung fällt im Bericht von 1959 auf, in dem alle militärischen Kriterien und die Leistungen der Zeitmesser aufgelistet sind. Die einzige Uhr, die in allen von der Navy bewerteten Aspekten als „befriedigend“ eingestuft wurde, war die Fifty Fathoms.
In der Folge gab die Navy noch zwei weitere Spezifikationslisten heraus, eine im September 1959 und eine im März 1961. Sie unterscheiden sich vor allem durch die ergänzenden antimagnetischen Kriterien im zweiten Dokument. Diese sollten verhindern, dass die Uhren Minen mit magnetisch aktiviertem Zünder auslösen. Die Fifty Fathoms wurde in beiden Versionen qualifiziert, in jener von 1959 die ursprüngliche Fifty Fathoms MIL-SPEC, die manchmal auch als MIL-SPEC 1 bezeichnet wurde, und in jener von 1961 mit den antimagnetischen Kriterien der späteren Fifty Fathoms MIL-SPEC 2.1
Die neuen Spezifikationen machten ungeachtet aller bisherigen Tests eine Qualifikation in einer militärischen Anlage notwendig. Dafür wählte die Navy das Frankford Arsenal in Philadelphia aus, das 1816 während der Präsidentschaft von James Madison als Kleinwaffen- und Munitionsprüfanlage eröffnet worden war.2 Larry Tornek, damals Absolvent der renommierten Wharton Business School in Philadelphia, erinnert sich lebhaft an seine Teilnahme am Qualifikationsprogramm, zu dem ihn sein Vater als BlancpainVertreter abgeordnet hatte. Die Tests waren extrem hart, und einer von ihnen kommt ihm sofort wieder in den Sinn: Gemäß Absatz 4.4.4.9.1 für den Festigkeitstest des Uhrglases musste dieses dem Aufprall einer Stahlkugel von 16 Millimeter Durchmesser trotzen, die aus einem Meter Höhe durch ein Stahlrohr herabsauste!
¹ Heute sind MIL-SPEC-2- Taucheruhren extrem selten zu finden. Ihre Gehäuse wurden aus einem Spezialstahl gefertigt, der die magnetische Anziehungskraft stark reduzierte, und waren matt satiniert, damit sie nicht glänzten; für das Uhrwerk wurde Kupfer-Beryllium verwendet. Da sie den NavyTauchern nur für die Einsätze abgegeben wurden, fanden nur ganz wenige den Weg in private Hände.
² Das Frankford Arsenal stellte 1977 die Tätigkeit für die Regierung ein. Heute beherbergt es Büros.
Blancpain erhielt von der Navy Aufträge sowohl für die MIL-SPEC 1 als auch für die MIL-SPEC 2. Das entband Tornek und Blancpain jedoch nicht von den Bestimmungen des Buy American Act und all seinen administrativen Schikanen. Der Paragraf über die Rubin-Lagersteine war besonders amüsant. Er verfügte, dass nur amerikanische Rubine „gekauft“ werden. Glücklicherweise lautete die Formulierung „kaufen“, nicht „verwenden“. Da die Qualität der Rubine von US-Herstellern damals völlig ungenügend war, kaufte Tornek die Juwelen, um die Compliance-Anforderungen zu erfüllen, und warf sie dann umgehend weg.
Wenn man bedenkt, wie viel Energie, Mühe und vergeudete Rubine Blancpain und Tornek in dieses Kapitel der Fifty Fathoms investierten, fiel der Ertrag eher enttäuschend aus. Dies war vor allem auf die Bestellpraxis der Navy zurückzuführen. Statt große Auflagen auf einmal zu ordern, wurden periodisch relativ kleine Stückzahlen angefordert. Diese Praxis erschwerte und verteuerte selbstverständlich die Produktion. Die Mengen jeder Bestellung waren nicht nur frustrierend klein, manchmal wirkten die Zahlen auch geradezu bizarr. So betraf ein Auftrag 631 Uhren. Warum nicht eine schöne runde Zahl? Ganz einfach: die Navy wollte 600 Exemplare, aber als Reserve zusätzlich 5 Prozent plus eine Uhr!
Die aktuelle MIL-SPEC, das dritte Modell in der Serie der limitierten Editionen Tribute to Fifty Fathoms, ist von dieser reichen Geschichte inspiriert. Das MILSPEC-Erbe ist auf dem Zifferblatt augenblicklich am zweifarbigen Feuchtigkeitsindikator bei 6 Uhr erkennbar. Wie beim Original würde eingedrungene Feuchtigkeit durch den Wechsel der hellblauen Farbe der oberen Scheibenhälfte in ein warnendes Rot signalisiert. Auch die Zifferblattgestaltung der Tribute MIL-SPEC erinnert mit den Stabindexen bei 3, 6 und 9 Uhr, der großen Rhombus-Markierung bei 12 Uhr und den erhabenen Punkten für die übrigen Stundenindexe an die Uhren der Navy. Die von der NavySpezifikation geforderte Zifferblattkennzeichnung „U.S.“ unter dem Namen Blancpain hingegen wurde selbstverständlich weggelassen.
Einen Zeitmesser als Tribut oder Hommage an ein Vintage-Modell zu kreieren bedeutet natürlich nicht, dass die Manufaktur auf ihre modernen Innovationen verzichten würde. Im Gegenteil, die Tribute MILSPEC profitiert voll vom aktuellen Savoir-faire von Blancpain. Das Automatikwerk ist mit zwei Federhäusern für eine Gangreserve von 100 Stunden ausgestattet. Die Schwingungen der Trägheitsunruh mit ihren goldenen Regulierschrauben werden von einer Siliziumspiralfeder begrenzt. Sie kann nicht wie metallische Federn versehentlich magnetisiert werden, da Silizium amagnetisch ist. Deshalb konnte hier auf den inneren Weicheisenmantel der Originalmodelle verzichtet werden. Der Saphirglasboden der modernen Tribute MIL-SPEC gibt den Blick auf die erlesenen Endbearbeitungen des Uhrwerks und des Rotors aus Massivgold mit mattschwarzem Finish frei.
Ein weiteres wichtiges modernes Attribut der Tribute MIL-SPEC ist die bombierte Lünette aus Saphir. Die so abgerundete Lünette hatte Blancpain 2003 zum 50-Jahr-Jubiläum der Fifty Fathoms kreiert. Sie hat einen besonderen Reiz und eine Ausstrahlung, die
sich nur mit massivem Saphir erzielen lässt. Als zusätzliches Plus ist Saphir außerordentlich kratzfest, da nur Diamant noch härter ist.
Im Lauf der drei Jahrzehnte, in denen Jean-Jacques Fiechter Generaldirektor von Blancpain war, wurden Fifty-Fathoms-Uhren in verschiedenen Größen produziert. Die Tribute MIL-SPEC knüpft mit einem Durchmesser von 40 Millimetern an diese Tradition an. Kenner haben nun in der Fifty-Fathoms-Kollektion die Wahl zwischen Modellen mit 38, 40, 43, 45 und 55 Millimeter Durchmesser.
Die Fertigung der Tribute to Fifty Fathoms MIL-SPEC ist auf 500 Exemplare limitiert.