Kapitel 10
Ein Interview mit dem Zwölfsternekoch Martín Berasategui.
Martín Berasategui (1960) nutzt das Feuer als Mittel der Kommunikation für einzigartige Kreationen auf dem Teller. Jedes Gericht ist von Übertreibung, Besonnenheit, Mäßigung und Rundheit ebenso geprägt wie von einem explosiven Geschmack mit subtilem Duft, der es wie ein feiner, zarter Film aus Farbe und Volumen begleitet.
MB: Ich wurde in der Calle General Echagüe geboren, nahe der Altstadt von San Sebastián. Meinen Eltern gehörte ein beliebtes Restaurant, die „Bodegón Alejandro“, wo wir auch die meiste Zeit verbrachten. Sobald die Schule aus war, ging ich zum Restaurant und aß dort auch mittags und abends mit meiner Mutter und meiner Tante. Nach Hause ging ich nur zum Schlafen.
DJ: War es für Sie ein magischer Ort?
MB: Absolut. Wir spielten, hörten den Erwachsenen zu und lernten, wie das Leben wirklich ist. Es war meine kleine Privatuniversität, da ich hier einen umfassenden Einblick in die baskische Volkskultur und die Gesellschaft bekam. Mein Vater war ein von lokalen Produkten begeisterter Metzger, der sich mit Menschen umgab, die seine Vorlieben teilten. Allerdings kochte er nicht gern und war lieber die ganze Zeit im Speisesaal des Restaurants, wo er für gute Stimmung sorgte. An einem Tisch saßen Volksdichter. An einem andern sah man baskische Pelotaspieler, Fischhändler, Bäcker, Studenten oder Oberschullehrer, die sich alle auf ihr Essen freuten. Auch Spieler des führenden Fußballklubs der Stadt, der Real Sociedad, kehrten hier ein. Es war ein einzigartiger Ort mit einer Mischung von Persönlichkeiten, die heute nicht mehr möglich ist. Meine Mutter Gabriela und meine Tante Maria liefen ständig zwischen der Küche und dem Speisesaal hin und her, um die Gäste zu bedienen und auf uns aufzupassen. Das mochte ich.
DJ: Ich nehme an, Ihre kulinarische Ausbildung ging über das hinaus, was Sie von ihnen lernten?
MB: Als ich 17 war, traf ich einen Ruderer der französischen Nationalmannschaft namens Laurent Irazusta, der beruflich Küchengeräte verkaufte. Als ich ihn fragte, ob er Leute im Hotelgewerbe kenne, erzählte er von einer Konditorei in Frankreich, die er gerade einrichte. Dank diesem Kontakt konnte ich eine Lehre im Betrieb von Jean Paul Heinard machen, und anschließend arbeitete ich auch für André Mandion. Über diese Beziehungen lernte ich weitere Fachleute wie Daniel Giraud kennen. Später erkundete ich die Welt der Charcuterie mit François Brouchican, den ich zu verschiedenen Events begleitete und bei dem es mir sehr gut gefiel. Als er mich bezahlen wollte, bat ich ihn stattdessen, mir den Besuch eines Restaurants zu ermöglichen, das einer seiner Freunde kurz zuvor eröffnet hatte. Es war das „Pain, Adour et Fantaisie“ von Didier Oudill und Philippe Garret, zwei ehemaligen Küchenchefs von Michel Guérard. Diese Begegnung hat meinen Kochstil eindeutig beeinflusst – und was die baskischen Köche betrifft, ist Hilario Arbelaitz vom „Zuberoa d’Oiartzun“ der Chef, der mich am meisten beeindruckte. Wir sind immer noch beste Freunde.
DJ: Hat Ihre Erstausbildung als Konditor irgendwelche Spuren hinterlassen?
MB: Definitiv. Konditoren bleibt nicht viel Spielraum für Improvisation, sie tendieren dazu, alles zu berechnen. Wenn man beschließt, etwas zu kreieren, experimentiert man während des Pröbelns, doch wenn das Gesuchte erreicht ist, werden die Gewichte und der Entwicklungsprozess aufgezeichnet. Persönlich schreibe ich alles auf, und ich habe zahlreiche Notizbücher, auf die ich mich beziehe. Mein Team weiß deshalb genau, was ich will.
DJ: Sie sind jünger als die anderen Chefs der Bewegung Nueva Cocina Vasca1. Wie kam es, dass Sie ihr beigetreten sind?
MB: Ich war 19 Jahre jünger als Juan Mari Arzak und 12 Jahre jünger als der Rest dieser Gruppe, hatte eine Menge Energie, wollte unbedingt Küchenchef werden, und niemand konnte mich daran hindern. Das „Bodegón“ war immer bumsvoll und für alle Beteiligten ein echter Marathon, natürlich auch für mich und alle andern in der Küche. Ich gewöhnte mich daran, alle Gäste zu jeder Tageszeit zu bedienen, und liebte meinen Job. Da ich an mich stets hohe Ansprüche stelle, wollte ich in meiner Karriere mein Bestes geben. Ich bin überaus stolz auf das, was meine Eltern erreicht haben, fühlte mich aber verpflichtet, noch weiterzugehen. Deshalb bildete ich mich Schritt für Schritt weiter. Wie ein Athlet, der sich immer zu steigern sucht, wollte ich mich ständig verbessern. Ich stellte unter den Treppen des „Bodegón“ ein Bett auf und erwachte im Morgengrauen, um mein Wissen und Können auf der andern Seite der Grenze in Frankreich zu perfektionieren. Ich war fest entschlossen und hatte in unserem Familienrestaurant gelernt, hohe Anforderungen zu bewältigen.
¹ Diese Bewegung entstand in den 1980er Jahren und lieferte die Grundlagen für die Erneuerung der baskischen Küche, die sich später in ganz Spanien verbreitete.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, zwischen Gastronomie und hoher Uhrmacherkunst lägen Welten. Doch vier Jahrzehnte enger Kontakte zwischen Blancpain und den berühmtesten Künstlern am Herd haben nicht nur das Gegenteil bewiesen, sondern auch die Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Branchen aufgezeigt.
Die Kavalkade der Koryphäen der Gastronomie, die in diesem knappen halben Jahrhundert mit Blancpain in den Lettres du Brassus und in einigen Kochbüchern präsent waren, ist beeindruckend: Frédy Girardet (vom Gault&Millau zum Koch des Jahrhunderts gekürt), Joël Robuchon (ein weiterer Koch des Jahrhunderts), Marc Haeberlin, Michel Troisgros, Guy Savoy, Philippe Rochat, Benoît Violier, Jacques Lameloise, Éric Pras, Michel Rostang, Anne-Sophie Pic, Arnaud Lallement, Daniel Humm, Gérard Rabaey, Philippe Chevrier, Stéphane Décotterd, Antonio und Nadia Santini, Edgard Bovier, Geert Van Hecke, Yoshihiro Takahashi, Dong Zhenxiang und Chan Yan-tak. Blancpain ist jedoch nicht nur diesen Spitzenköchen verbunden, deren Können insgesamt mit über 100 Michelin-Sternen belohnt wurde, sondern unterstützt auch seit vielen Jahren den renommiertesten Kochwettbewerb der Welt, den Bocuse d’Or, sowie den Guide Michelin.
Was erklärt diese Affinität zwischen Feinuhrmacherei und Gastronomie? Eigentlich viele Elemente. Beide Bereiche sind gekennzeichnet von einem unermüdlichen Streben nach Perfektion, der Aufmerksamkeit für die kleinsten Details, der Hingabe an das Handwerk, einem künstlerischen Flair und der Wertschätzung der Lebenskunst, der Art de Vivre. In all diesen Dimensionen hat man gemeinsame Werte, und daraus erwachsen das Verständnis und der Respekt füreinander.
In dieser Ausgabe würdigt Blancpain ein weiteres herausragendes Talent aus der Welt der Spitzenküche: den Zwölfsternekoch Martín Berasategui, selbst seit Jahren ein Sammler von Blancpain-Zeitmessern. Während wir uns auf die Wiedereröffnung von Chef Berasateguis Flaggschiff- Restaurant in Lasarte-Oria (Gipuzkoa) in der Nähe von San Sebastián und von allen anderen Restaurants freuen, die wir rund um den Globus lieben, bieten wir hier ein exklusives Interview mit dem Chefkoch, geführt vom spanischen
Journalisten und Küchenchef David de Jorge Ezeizabarrena, besser bekannt als Robin Food.
DJ: Sie übernahmen dann dort das Ruder …
MB: Als ich 21 war, sagte ich meinen Eltern und meiner Tante, es mache für mich keinen Sinn, länger in unserem Restaurant zu arbeiten, wenn ich es nicht übernehmen könne. Sie verstanden das und halfen mir, so gut sie konnten. Für mich war das eine große Chance. Ich begann mit der Renovation der Küche, in der mir meine heutige Frau Oneka Arregi half. Das wissen nicht viele Leute, weil sie gewohnt sind, Oneka im Speisesaal beim Servieren zu sehen. Aber wir beide arbeiteten damals hart am Herd, bevor wir realisierten, wie wichtig es ist, sich um den Speisesaal zu kümmern. Alles musste sorgfältig bis ins kleinste Detail durchdacht und in einem zeitgemäßen Stil erneuert werden, um auf der Höhe unseres Angebots an Gerichten zu sein. Ich ging zur Bank und bat um ein Darlehen. Angesichts meines jugendlichen Alters gab man mir zu verstehen, das sei kein Problem, falls ich eine Bürgschaftsgarantie meiner Eltern vorlegen könne. Ich antwortete, damit wolle ich sie nicht belasten, sie hätten sich ja zurückgezogen, dies sei jetzt mein Business und es liege an mir, sich um alles zu kümmern. Als ich ging, war ich richtig genervt und hatte das Gefühl, alles sei vorbei, bevor ich überhaupt angefangen hätte. Meine Klagen hörte Eusebio, ein Schäfer und Bauer aus Igueldo, der uns mit Schafmilch, Tomaten und Salat belieferte. Er kam mit mir zur Bank, bürgte für mich und gab dem Direktor den Auftrag, mir zu geben, was ich benötigte. Meine Mutter fand dies erst Jahre später heraus.
DJ: Dann konnten Sie also beginnen?
MB: Ja. Ein wenig später, als ich 24 war, erhielten wir vom Guide Michelin unseren ersten Stern. Das war eine Überraschung, da sich das „Bodegón“ immer noch im Untergeschoss befand und noch nie ein Etablissement einen Stern bekommen hatte, für das man 28 Stufen hinabsteigen muss. Zudem war das Platzangebot begrenzt, doch der Stern gab uns großes Vertrauen.
DJ: Traten Sie damals der Bewegung der Küchenchefs bei?
MB: Nein, noch nicht. Diese Chefs waren für mich Vorbilder, denn sie hatten einen ausgezeichneten Job gemacht und unserem Beruf großes Ansehen verschafft. Ich kam ein wenig später dazu. Zu dieser Zeit orientierte ich mich an Luis Irizar, dem Mentor, der mich lehrte, dass ein guter Koch seinen Beruf leidenschaftlich lieben, enorm leidensfähig und konsequent sein muss. Wenn alle feiern, arbeitest du, als ob du selbst feiern würdest. Diese Beschreibung der Tätigkeit entsprach der Arbeitsweise meiner Eltern. Die Jornadas Gastronómicas im „Zaldiarán“ in Vitoria-Gasteiz waren dann der Ausgangspunkt für alles, was mir später passierte. Ich stellte mich als junger Küchenchef vor und
war sehr erfolgreich. Zeitungen brach-ten Schlagzeilen wie „Der Triumph von Berasategui“ und ähnliche positive Besprechungen. Es war der Beginn meiner öffentlichen Karriere, die ich allerdings als Erweiterung meiner Berufung verstand. Denn ich bin der Meinung, das Wichtigste im Leben eines Kochs ist es, seine Kenntnisse auf einer soliden Grundlage ständig zu erweitern. Zu jener Zeit lernte ich Alain Ducasse kennen, als er noch nicht so international bekannt war wie heute. Er weilte im Grand Hotel in Saint-Jean-de-Luz jenseits der Grenze und kam zum Mittagessen zu mir, so dass wir Freunde wurden.
DJ: Damit wären wir wieder bei der French Connection!
MB: Ich verstehe heute Kochkunst als eine Akkumulation vielfältiger Erfahrungen, eine Konstruktion, die auf soliden persönlichen Grundlagen aufbaut. Wie bereits gesagt, zählt letztlich nur, wie hart du arbeitest. Du musst erreichen, was du dir vorgenommen hast, selbst wenn das mit Opfern und dem Erklimmen einer schier endlosen Treppe verbunden ist. Und ich verdanke meinen französischen Erfahrungen viel.
DJ: Sehen Sie die Dinge heute ebenso?
MB: Absolut. Man muss alle Stufen erklimmen, eine nach der anderen. Ich bin seit 46 Jahren im Geschäft, und heute muss ich das tun, was mir richtig erscheint. Zum Beispiel will ich mit meiner Versuchsküche zahlreiche neue Rezepte entwickeln und als Vermächtnis hinterlassen und so meinen eigenen Beitrag für die Zukunft leisten. Das hat wenig mit dem zu tun, was ich vor langer Zeit gemacht habe, und auch wenig mit dem, was ich noch vor zwei Jahren in meinem Restaurant angeboten habe. Aber wenn man ehrlich ist, ergibt sich alles aus dem, was vorher war, und ist nur eine logische Weiterentwicklung. Das ist unvermeidlich. Ich habe jetzt viel Erfahrung gesammelt und arbeite mit Gleichgesinnten in großen und großartigen Brigaden.
Zutaten für die Olivenfüllung:
1 l Coulis von grünen Oliven „Agrucapers“
1 l Tomatenwasser
13 g Xanthangummi
Die Zutaten mischen und in den Mixer geben.
Durch ein feines Sieb streichen.
Für das Aufbewahren vakuumieren.
Olivenförmige Silikonschälchen randvoll mit der Mischung füllen und in den Tiefkühler stellen.
Zutaten für die Olivenbutter:
1 kg Kakaobutter „Pacari“
150 g Paste von lyophilisierten Oliven
Die Kakaobutter bei 90 °C schmelzen, zur Paste der lyophilisierten Oliven gießen, das Ganze mixen und durch ein Sieb filtern.
Überzug der Oliven:
Die gefrorenen Oliven aus den Förmchen nehmen.
9 Spieße (10 cm lang, um das Eintauchen zu erleichtern) in Polystyrenformen von ungefähr 15 x 15 cm legen.
Jeweils eine halbe gefrorene Olive mit der gewölbten Seite nach unten aufspießen.
Die aufgespießten Oliven 10 bis 15 Minuten in den Tiefkühler stellen.
Nun die zweite Hälfte der gefrorenen Oliven mit der flachen Seite nach unten auf jeden Spieß stecken und an der anderen Hälfte festdrücken.Die Spieße erneut 10 bis 15 Minuten in den Gefrierschrank stellen, damit die Oliven gut haften und während des Eintauchens nicht abrutschen.
Anschließend die Olivenbutter in einem Topf, der groß genug ist, um die 9 Spieße mit den gefrorenen Oliven einzutauchen, auf 85 °C erhitzen.
Alle Verunreinigungen entfernen und die Butter aufschäumen, bevor mit dem Eintauchen begonnen wird.
Die Polystyrenform zur Hand nehmen und die Oliven vollständig eintauchen.
Sofort mit einer Drehbewegung aus der Butter nehmen und aufklopfen, um die überschüssige Butter zu entfernen.
Den Buttertropfen, der sich gebildet hat, sofort mit einem kleinen Messer abstreifen, bevor er fest wird.Auf ein mit Backpapier bedecktes Blech legen und im Kühlschrank auftauen lassen.
Zutaten für den Olivenjus:
0,5 l Coulis von grünen Oliven „Agrucapers“
1,5 l Tomatenwasser
4 g Xanthangummi
Das Olivencoulis mit einem Passiertuch filtern.
Die gefilterte Flüssigkeit mit dem Tomatenwasser mischen.
Den Xanthangummi zum Verdicken beigeben.Die Mischung kühlen.
Garnitur und Präsentation:
15 ml Olivensaft auf den Boden eines Schälchens gießen und die rekonstituierten Oliven aus dem Kühlschrank darauflegen. Mit einem frischen Spross dekorieren. Dazu dünne Scheiben eines Brots mit schwarzen Oliven servieren.
DJ: Was ist der Zweck von all dem?
MB: Glücklicher zu sein. Es gibt Probleme, die nie gelöst werden können, wenn sie nur aus wirtschaftlicher Sicht angegangen werden. Je besser das Essen, desto zufriedener bist du. Wenn ein Gast mein Degustationsmenü schätzt, weiß ich, dass ich guten Grund habe, glücklich zu sein. Wenn ein Gast zufrieden ist mit dem, was ich ihm biete, bin ich es ebenfalls. Das ist mein Leben und meine Sichtweise des Berufs. Ich repetiere nicht einfach, was ich bereits Jahre zuvor gemacht habe. Ob ich jemanden aus Amerika, Asien, Ozeanien oder von anderswo bewirte, ob ein junges Paar, das gespart hat, um sich ein Festmahl zu leisten, ich mag es, ihnen anzubieten, wofür ich heute stehe, nicht eine Rückschau auf das, was ich vor vielen Jahren gekocht habe.
DJ: Wie schaffen Sie das?
MB: Es ist wichtig, treue Gäste zu haben, aber letztlich ist mein größtes Kapital mein Gaumen, der mich nie im Stich lässt. Wenn mich jemand fragt, was ich für meine größte Qualität halte, würde ich nicht behaupten, ich sei ein toller Arbeiter mit langer und großer Karriere oder Ähnliches. Mein bestes Attribut ist mein Gaumen und die Gemeinschaft mit meinen Teams. Wenn wir etwas mögen, lieben es auch unsere Gäste.
DJ: Was essen Sie persönlich besonders gern?
MB: Ich mag außergewöhnliche Produkte wie iberischen Schinken oder den baskischen Fischeintopf Hake Kokotxas mit Seehecht. Es gibt viele Möglichkeiten, die Fischstücke zuzubereiten, ich ziehe jedoch die traditionellen Versionen vor, kandiert, in Sauce oder paniert. Ich liebe auch Gemüse. Milchlamm begeistert meine Geschmacksnerven, und ein wilder Steinbutt ist einfach unglaublich! Junger Lauch, Zuckererbsen, Saubohnen (Fèves) oder zarte Butterbohnen, Kalmar in Tintensauce, geschmortes Wild ...
DJ: Wie haben Sie sich bei den Auszeichnungen gefühlt?
MB: 2001, als ich erfuhr, dass wir den dritten Michelin-Stern erhalten haben, saßen wir am Küchentisch. Ich war überwältigt und habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Bei Tagesanbruch ging ich nach draußen und lief zweimal um San Sebastián, ganz allein. Beruflich kann man nicht mehr verlangen. Aus persönlicher Sicht war ich besonders berührt, als mir meine Stadt 2005 ihre höchste Auszeichnung verlieh, die Goldene Trommel, den Tambor de oro. San Sebastián ist die schönste Stadt der Welt, hier bin ich geboren und aufgewachsen, und hier leben meine Familie und meine Freunde. Zu ihrem besten Botschafter ernannt zu werden ist etwas, das man nicht mit Worten beschreiben kann.
DJ: Was halten Sie davon, dass ein Koch als Künstler bezeichnet wird?
MB: Ein Koch ist ein Koch. Wenn manche Leute es vorziehen, das Kochen eine Kunst zu nennen, respektiere ich diese Sicht, doch persönlich verschwende ich keine Zeit damit, darüber nachzudenken. Ich bin überaus stolz auf meinen Beruf und habe es nicht nötig, ein Künstler zu sein, ein Architekt, Bildhauer, Maler oder Dudelsackspieler. Ich überlasse das anderen. Ich ziehe jeden Morgen meine Schürze an und bin damit glücklich.
DJ: Was denken Sie über die Produkte und Lieferanten?
MB: Um die Produkte muss sich ein Koch an erster Stelle kümmern. Ich bestelle Gemüse von außerordentlicher Qualität, die man normalerweise nicht im Handel findet, und arbeite mit spezialisierten Lieferanten, die haben, was ich brauche. Es ist wichtig, die Produzenten zu besuchen und bei ihnen zu beobachten, wie die Natur arbeitet. Sie wissen eine Menge über ihre Tätigkeit, und es gibt keine besseren Berater. Man muss extrem aufpassen, von allem nur das Beste auszuwählen. Unsere erste Aufgabe ist, uns unaufhörlich für Spitzenqualität einzusetzen. Mein Restaurant ist kein gewöhnlicher Ort. Die Menschen kommen hierher, um außergewöhnliche Speisen zu genießen, deshalb benötige ich auch überdurchschnittliche Produkte.
DJ: Wollen Sie damit sagen, dass Ihre Küche produktbasiert ist?
MB: Zu einem Großteil. So müssen wir beispielsweise die wunderbaren Äpfel aus unserer Umgebung sublimieren, neben allem andern, was unsere Landwirte so liebevoll kultivieren.
DJ: Wie definieren Sie die baskische Küche?
MB: Es geht ums Produkt und um bestimmte Zubereitungstechniken. Sobald man etwas probiert, realisiert man, ob es sehr baskisch ist oder überhaupt nicht. Ich kann das nicht genau erklären. Es hat mit Erinnerungen, den Sinnen, Geschmacks-empfindungen, dem eigenen Temperament und dem geheimnisvollen Charme des Baskenlandes zu tun. Jedes Mal, wenn ich von einer Auslandsreise zurückkehre, merke ich, dass dieses Land einen einzigartigen Duft verströmt. Ich erkenne
unsere Unverwechselbarkeit sofort, in jeder Hinsicht. Aber das gilt wohl auch für andere Orte.
DJ: Abschließend, wie sehen Sie die Zukunft?
MB: Kochen ist mein Ding, und ich will weiterhin dabeibleiben. Meine Bestimmung ist, Küchenchef zu sein, das ist meine Priorität. Und die gegenwärtige Infrastruktur erlaubt mir, weiterzumachen, solange ich Freude daran habe und gesund bin. Heute sind Spitzenköche sehr gefragt, und es freut mich, multinationale oder private Investoren bei ihrem Projektmanagement zu beraten. In gewisser Weise sind wir Entwickler neuer Ideen. So repräsentiere ich auch gerne große Marken, die ich als Seelenverwandte betrachte, wie meine Freunde bei Blancpain. Dennoch bleibe ich im Wesentlichen bei meinem Beruf. Mein Lebenselixier ist das Kochen, und ich freue mich, wenn ich es besser machen kann
als gestern. So ist das Leben … Und auch wenn diese Zeit zweifellos eine schwere Prüfung ist, bleibe ich sehr positiv und hoffnungsvoll für die Zukunft. Eine Zukunft, in der ich weiterhin mit meiner Frau Oneka, meiner Tochter Ane und meinem Schwiegersohn José an meiner Seite das Leben genießen werde.
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Erscheinungsdatum: September 2021 |